Der Herzog Von Köln
Wie Ihr seht, scheint er vom Himmel herabzuhängen. Er ist nicht mit der Erde verbunden. Das ist dem Experiment eines unserer Magier zu verdanken, dem es glückte, den Turm etwa einen Meter zu heben, nicht jedoch weiter. Es gelang ihm aber nicht mehr, ihn auf den Boden zurückzusetzen – und so blieb er, wie Ihr ihn seht.«
Er zeigte den Botschaftern die Kais, wo die granbretanischen Kriegsschiffe ihre Beute entluden; das Viertel der Unmaskierten, wo der Abschaum der Stadt lebte; den Kuppelbau des riesigen Theaters, wo einst Tozers Stücke aufgeführt wurden; den Tempel des Wolfs; das Hauptquartier seines eigenen Ordens, dessen Dach ein monströser, grotesker Wolfsschädel zierte; und die vielen anderen Tempel mit ähnlich grotesken Tierhäuptern aus Stein, die gewiss mehrere Tonnen wogen.
Den ganzen Tag flogen sie über die Stadt und landeten nur, um aufzutanken und den Piloten zu wechseln. Meliadus wurde von Stunde zu Stunde ungeduldiger. Er zeigte den Gesandten alle Sehenswürdigkeiten der alten, düsteren Stadt und versuchte, wie der Reichskönig es befohlen hatte, die beiden mit der Macht Granbretaniens zu beeindrucken.
Als der Abend hereinbrach und blutrote Schatten die Stadt überfluteten, seufzte Meliadus erleichtert auf und gab dem Piloten Anweisung, auf der Landeplattform des Palastes aufzusetzen.
Die Flugmaschine schlug wild mit den Flügeln und landete. Die beiden Gesandten stakten steif hinaus.
Sie betraten den Palast und gelangten über sich abwärts windende Rampen die Gänge mit den wechselnden Lichtern, wo ihre Ehrengarde, sechs Offiziere des Gottesanbeterinnenordens, sie erwarteten. Das Wechsellicht aus den Gängen spiegelte sich in den kunstvoll gearbeiteten Insektenmasken, sie führten die Gesandten zu deren Gemächern, wo sie essen und ruhen konnten.
Meliadus verabschiedete sich, nachdem sie noch ausgemacht hatten, sich am nächsten Tag über den Stand der granbretanischen und asiakommunistischen Wissenschaft und Technik zu unterhalten.
Mit großen Schritten hastete er schließlich durch die Gänge und hätte fast die Verwandte des Reichskönigs, Flana, Gräfin von Kanbery, umgerannt.
»Mein Lord!«
Er hielt kurz an, wollte um sie herumgehen, blieb aber dann doch stehen. »Meine Lady – verzeiht.«
»Ihr seid in Eile, mein Lord?«
»So ist es, Flana.«
»Und in schlechter Laune ebenfalls?«
»Meine Laune ist nicht die beste.«
»Veilleicht bedürft Ihr einer Aufheiterung?«
»Ich habe dringende Geschäfte zu erledigen …«
»Geschäfte sollte man mit kühlem Kopf erledigen.«
»Vielleicht.«
»Wenn Ihr Euer aufgebrachtes Gemüt erst etwas beruhigen wollt …«
Er ging ein paar Schritte weiter, blieb aber dann wieder stehen. Er kannte Flanas Methoden der Beruhigung. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht brauchte er sie wirklich. Andererseits musste er die nötigen Vorbereitungen für seine Expedition in den Westen treffen. Aber jetzt waren die Botschafter noch hier, und er konnte ohnehin nicht weg. Außerdem war die vergangene Nacht nicht sehr erfolgreich gewesen, worunter sein Selbstbewusstsein ein wenig gelitten hatte. Zumindest könnte er beweisen, dass er ein guter Liebhaber war.
»Vielleicht«, wiederholte er, ein wenig nachdenklicher diesmal.
»Dann lasst uns rasch in meine Gemächer eilen, mein Lord«, beeilte sie sich zu sagen.
Mit wachsendem Interesse nahm Meliadus ihren Arm. »Oh, Flana«, murmelte er. »Oh, Flana.«
11 Gräfin Flanas Überlegungen
Flanas Motive für ihre Aufforderung waren etwas gemischt; denn sie war nicht wirklich an Meliadus interessiert, sondern an seinen beiden Anvertrauten – den steifgliedrigen Riesen aus dem Osten.
Sie fragte ihn nach ihnen aus, als sie schweißüberströmt in ihrem riesigen Bett lagen, und er gestand ihr seinen Ärger über seinen Auftrag und auf die beiden Botschafter ein, aber auch seine wahren Ambitionen, nämlich sich an seinen Feinden zu rächen – an den Mördern ihres Gatten, den Bewohnern der Burg Brass. Er erzählte ihr auch, dass Tozer im Westen, in der vergessenen Provinz Yel, einen alten Mann gefunden hatte, der vielleicht die Mittel besaß, ihm, Meliadus, einen Weg zu seinen Feinden zu zeigen.
Er gestand ihr auch seine Ängste, dass er Macht und Ansehen verlieren mochte (obwohl er wusste, dass er gerade mit Flana darüber nicht reden sollte), und dass der Reichskönig anderen, wie Shenegar Trott, sein Vertrauen schenkte, und dass er ihnen Dinge anvertraute, die früher nur für seine Ohren
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