Der Herzog Von Köln
die Wolfstruppen unser Dorf besetzt. Sie nahmen alles, während wir hungerten. Wir hörten, dass sie ein Teil der Armee waren, die die Kamarg bewachen sollte, obwohl wir uns nicht vorstellen konnten, was in diesem Ödland noch zu bewachen war. …«
»Sie warteten sicher auf unsere Rückkehr«, vermutete Falkenmond.
»Das scheint mir auch wahrscheinlich«, pflichtete sie ihm bei. Dann fuhr sie fort. »Gestern landete ein Ornithopter des Stützpunktes. Wir hörten Gerüchte, dass die Soldaten nach Londra zurückgerufen worden seien, und waren überglücklich darüber. Eine Stunde später fielen die Soldaten der Besatzung über das Dorf her, brandschatzten es, töteten und vergewaltigten. Sie hatten Befehl, nichts und niemanden am Leben zu lassen, so dass sie mit keinem Widerstand rechnen mussten, wenn sie zurückkehren würden, und dass keine, die zum Dorf kämen, etwas Essbares fänden. Eine Stunde später waren sie bereits alle aufgebrochen.«
»Also beabsichtigen sie, wiederzukommen«, murmelte Falkenmond. »Ich frage mich, weshalb sie weg sind …«
»Vielleicht ein Invasor?« meinte Bowgentle und legte dem Mädchen einen frischen Umschlag auf die Stirn.
»Das war auch mein erster Gedanke«, gestand Falkenmond.
»Aber irgendwie passt es nicht. Es ist so mysteriös – und beängstigend, dass wir so wenig wissen.«
Nach höflichem Klopfen betrat d’Averc das Krankenzimmer. »Ein alter Freund besucht uns, Dorian.«
»Ein alter Freund? Wer?«
»Der Mann von den Orkneyinseln – Orland Fank.«
Falkenmond erhob sich. »Vielleicht kann er Licht in das Dunkel bringen.«
Als er zur Tür ging, sagte Bowgentle leise. »Das Mädchen ist soeben gestorben, Herzog Dorian.«
»Sie weiß, dass sie gerächt wird«, murmelte Falkenmond düster und verließ den Raum.
»Etwas liegt in der Luft, da muss ich Euch beipflichten«, sagte Orland Fank zu Graf Brass, neben dem er am Kamin stand. Er winkte Falkenmond zur Begrüßung zu. »Und wie geht es Euch, Herzog Dorian?«
»Nun, den Umständen entsprechend gut. Habt Ihr eine Ahnung, weshalb die Legionen aufbrachen, Meister Fank?«
»Ich versicherte eben Graf Brass, dass ich es leider auch nicht weiß …«
»Ah, und ich hielt Euch für allwissend, Meister Fank.«
Fank grinste ein wenig verlegen und nahm die Haube ab, um sich damit über das Gesicht zu wischen. »Es braucht seine Zeit, Informationen zusammenzutragen, und ich war sehr beschäftigt, seit ihr Dnark verlassen habt. Ich habe übrigens Geschenke für alle Helden auf Burg Brass mitgebracht.«
»Das ist sehr nett von Euch.«
»Sie sind nicht von mir, müsst ihr wissen, sondern von – nun, vom Runenstab, nehme ich an. Ich gebe sie euch später. Sie haben wenig praktischen Wert, werdet ihr vielleicht denken, aber es ist schwer zu sagen, was nützlich ist und was nicht im Kampf gegen das Dunkle Imperium.«
Falkenmond wandte sich an d’Averc. »Was hast du auf deinem Ausritt entdeckt?«
»Bedauerlicherweise das gleiche wie du. Verwüstete Dörfer mit ihren in aller Eile hingemordeten Bewohnern. Zeichen eines überstürzten Aufbruchs überall. In den größeren Städten ist ein Bruchteil der Besatzung zurückgeblieben, wie ich erfahren konnte, aber hauptsächlich Artillerie, Kavallerie überhaupt keine.«
»Das scheint mir reiner Wahnsinn«, murmelte Graf Brass.
»Wenn sie wahrhaftig wahnsinnig sind«, meinte Falkenmond trocken, »dann können wir uns vielleicht ihren Mangel an Vernunft zunutze machen.«
»Das ist die richtige Einstellung, Herzog Dorian.« Fank schlug Falkenmond derb auf die Schulter. »Wie wär’s, wenn ich euch jetzt die Geschenke brächte?«
»Wir haben nichts dagegen, Meister Fank.«
»Habt die Güte und stellt mir ein paar Diener zur Verfügung. Das Zeug ist entsetzlich schwer. Ich brachte es auf zwei Pferden hierher.«
Ein paar Minuten später kehrte Fank mit zwei Dienern zurück. Jeder von ihnen, auch er selbst, trug zwei sorgfältig mit Tuch umwickelte Gegenstände, die sie auf dem Boden abstellten.
»Öffnet sie, meine Herren.«
Falkenmond bückte sich und rollte die Stoffstreifen eines der Geschenke auf. Er blinzelte unwillkürlich, als ihm strahlende Helligkeit entgegenschlug und sein eigenes Gesicht sich ganz deutlich widerspiegelte. Überrascht riss er den Rest des Stoffes herunter und starrte erstaunt auf den Gegenstand zu seinen Füßen. Auch die anderen waren sprachlos.
Die Geschenke waren sechs Streithelme, die den ganzen Kopf bedeckten und auf den Schultern
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