Der Herzog Von Köln
Falkenmond plötzlich überlegend. Er sprach ohne Gefühl, nur mit dem Verstand. »Es wäre besser für sie, wenn ich sie wieder regierte.«
»Ah!« Baron Meliadus lächelte. »So erscheint Euch mein Pakt vernünftig.«
»Ja. Obgleich ich nicht glaube, dass Ihr Euer Versprechen einhalten werdet.«
»Warum nicht? Es ist doch zu unserem Vorteil, wenn ein Land, das uns Kummer macht, von jemandem regiert wird, dem die Bürger vertrauen – und dem auch wir trauen können.«
»Ich werde mich in die Kamarg begeben. Ich werde ihnen die Geschichte erzählen, die Ihr mir vorschlagt. Ich werde das Mädchen entführen und nach Granbretanien bringen.« Falkenmond seufzte und sah Baron Meliadus an. »Warum nicht?«
Der Baron blickte ein wenig unbehaglich drein. Falkenmonds Wesen gab ihm Rätsel auf. »Obgleich die Maschine sich bisher nie irrte, könnte es sein, dass Ihr über geheime Zauberkraft verfügt, die sie verwirrte.«
»Ich verstehe nichts von Zauberei.«
»Ich glaube Euch – fast.« Baron Meliadus’ Stimme klang plötzlich ein wenig zuversichtlicher. »Aber wir haben keinen Grund zur Besorgnis – wir vermögen eine gewisse Vorsichtsmaßnahme zu treffen, die jeglichen Verrat Eurerseits verhindert. Eine Vorsichtsmaßnahme, die Euch zu uns zurückbringen oder töten wird, falls wir Grund zur Annahme haben, dass wir Euch nicht länger trauen können. Es handelt sich um eine Neuentdeckung Baron Kalans, der jedoch, wie ich hörte, nicht ihr eigener Erfinder ist. Man nennt es das Schwarze Juwel. Ihr sollt es morgen bekommen. Heute Nacht schlaft Ihr in Gemächern, die im Palast für Euch vorbereitet wurden. Ehe Ihr Euch von uns verabschiedet, widerfährt Euch noch die hohe Ehre, Seiner Majestät, dem Reichskönig Huon, vorgestellt zu werden.«
Damit rief Meliadus die Wachen mit den Insektenmasken und trug ihnen auf, Falkenmond in sein Quartier zu bringen
3 Das Schwarze Juwel
Am nächsten Morgen wurde Falkenmond wieder zu Baron Kalan gebracht. Die Schlangenmaske schien nahezu zynisch dreinzublicken, aber der Baron führte ihn ohne viele Worte durch einige Räume und Hallen, bis sie an eine Kammer kamen, deren Tür aus glattem Stahl gefertigt war. Diese stand offen und gab so den Blick auf eine weitere, ebensolche Tür frei, und als diese geöffnet wurde, kam eine dritte zum Vorschein. Diese führte in eine kleine Kammer aus weißem Metall, die von blendend hellem Licht erfüllt war und die eine Maschine von beeindruckender Schönheit enthielt. Diese Maschine bestand fast ausschließlich aus zartem Schleiergewebe in Rot, Gold und Silber. Als Falkenmond sie streifte, hatte er das Gefühl, von warmer, zarter Haut berührt zu werden. Wispernde Töne drangen aus den sich wie im Winde wiegenden Schleierstreifen.
»Es ist, als lebte es«, hauchte Falkenmond.
»Es lebt wirklich«, versicherte Baron Kalan stolz.
»Ist es ein Tier?«
»Nein, eine Zauberschöpfung. Was es genau ist, weiß ich selbst nicht«, gestand der Baron. »Ich habe es nach einer alten Schrift angefertigt, die ich vor vielen Jahren von einem Mann aus dem geheimnisvollen Osten erstand. Es ist die Maschine des Schwarzen Juwels. Ah, und schon bald werdet Ihr eins mit ihr sein, Lord Herzog.«
Tief in Falkenmonds Innern regte sich eine Spur von Panik, aber sie drang nicht an die Oberfläche. Er ließ sich von dem Schleierstreifen aus Rot und Gold und Silber streicheln.
»Sie ist noch nicht soweit«, sagte Kalan. »Noch nicht. Sie muss das Juwel spinnen. Kommt näher, mein Lord. Begebt Euch in sie hinein. Ihr werdet keinen Schmerz empfinden, das verspreche ich Euch. Sie muss das Juwel spinnen, spinnen!«
Falkenmond gehorchte. Die Schleiersträhnen begannen zu rauschen und melodiös zu summen. Die einschmeichelnden Töne und das nun immer schneller werdende Wirbeln begannen ihn zu verwirren: Die Maschine des Schwarzen Juwels liebkoste ihn, schien in ihn einzudringen, wurde er – und er sie. Er seufzte, und seine Stimme war die Musik des Schleiergewebes. Er bewegte sich, und seine Glieder waren spinnwebdünne Strähnen.
Er verspürte einen Druck in seinem Schädel und absolute Wärme und Weisheit, die seinen Leib einhüllten. Er schwebte körperlos dahin und verlor jegliches Zeitgefühl. Aber er wusste, dass die Maschine etwas aus ihrer eigenen Substanz zu spinnen begann. Etwas, das hart wurde und sich in seine Stirn pflanzte, dass er urplötzlich das Gefühl empfand, ein drittes Auge zu haben, mit dem er die Welt aus neuer Sicht zu sehen
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