Der Herzog Von Köln
Gefangenschaft. Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Nachdem er sich angekleidet hatte, ging er in den Schankraum und fragte nach einem Frühstück.
Falkenmond erreichte die Kristallstadt am Abend. Ihre Gebäude waren aus reinem Quarz gefertigt und schillerten in herrlichen Farben. Überall klingelten die Glasdekorationen, mit denen die Bürger Paryes ihre Häuser, die öffentlichen Gebäude und ihre Monumente schmückten. Die Stadt war so wunderschön, dass selbst die Kriegslords des Dunklen Imperiums sie verschont hatten. Anstelle Parye im Sturm zu nehmen, ließen sie sich mehrere Monate Zeit und erreichten dasselbe mit List. Innerhalb der Stadt jedoch sah man deutlich überall die Zeichen der Fremdherrschaft. Angst kennzeichnete die Gesichter der Menschen. Krieger mit Tiermasken stolzierten durch die Straßen, und Flaggen wehten von den Häusern, die einst den Edlen Paryes gehört hatten. Es waren die Banner der granbretanischen Feldherren, die sich hier einquartiert hatten. Falkenmond sah das Banner Jarak Nankenseens, des Kriegslords des Fliegenordens; das Adaz Promps, des Grandkonnetabels des Hundeordens; Mygel Holsts, des Erzherzogs von Londra; und Asrovak Mikosevaars, des Renegaten von Muskovia und Söldnerkriegslords der Geierlegion. Mikosevaar hatte Granbretanien schon gedient, noch ehe der Eroberungsplan offensichtlich war. Er war der grausamste und perverseste Kriegslord des Dunklen Imperiums, und sein Wahlspruch Tod dem Leben, der in Scharlachrot auf sein Banner gestickt war, jagte allen, die gegen ihn kämpfen mussten, Angst und Schrecken ein. Offenbar ruhte er sich in Parye nur aus, dachte Falkenmond, denn der Söldnerlord war fast immer an der vordersten Front anzutreffen. Leichen zogen den Muskoviter an wie Rosen die Bienen.
Es gab keine Kinder auf den Straßen der Kristallstadt. Jene, die Granbretanien nicht niedergemetzelt hatte, wurden in Kerkern gehalten, um die Unterwürfigkeit der überlebenden Bürger zu gewährleisten:
Die Sonne schien die Kristallbauten in Blut zu tauchen, als sie unterging. Falkenmond war zu müde, um weiterzureiten, und suchte die Schenke auf, die Meliadus ihm genannt hatte. Dort schlief er bis lange in den Tag hinein, ehe er seine Reise nach Burg Brass fortsetzte. Er hatte erst die Hälfte seines Weges hinter sich.
Jenseits der Stadt Lyon hörte die Macht Granbretaniens vorerst auf. Aber der Weg dorthin war mit Leichen gepflastert. Männer und Frauen jeglichen Alters, Knaben und Mädchen, ja sogar Haustiere wie Katzen, Hunde und Kaninchen waren an roh errichtete Kreuze genagelt, die die Straßen säumten. Ganze Familien waren hier grausam verendet, vom jüngsten Baby bis zum ältesten Diener war keiner verschont geblieben. Der Gestank von Verwesung quälte Falkenmond, als er auf seinem Pferd die Straße nach Lyon entlang ritt; der Todesgestank drückte ihm die Kehle zu. Feuer hatte Felder und Wälder versengt, Dörfer und kleine Städte niedergebrannt und die Luft grau und schwer werden lassen. Alle, die noch lebten, waren zu Bettlern geworden, gleichgültig, welchen Rang sie früher innehatten, außer den Frauen, die als Huren zu den Soldaten des Herrschers gegangen waren, und jenen Männern, die sich dem Reichskönig kriecherisch unterworfen hatten.
Hatte er bislang noch Neugierde verspürt, so erfüllte ihn nun Abscheu, doch wie alle Gefühle nahm er auch dieses nur am Rande zur Kenntnis. Mit der Wolfsmaske auf dem Kopf ritt er auf Lyon zu. Keiner hielt ihn auf, und keiner stellte Fragen; denn jene, die zum Orden des Wolfes gehörten, kämpften zur Zeit im Norden, und so war Falkenmond sicher vor allen, die ihn in der Geheimsprache des Ordens ansprechen mochten.
Als er Lyon hinter sich gelassen hatte, nahm Falkenmond die Wolfsmaske ab und versteckte sie in den nun leeren Satteltaschen. Er ritt querfeldein, wo die Luft noch rein war und wo er nicht in Gefahr lief, von einer Patrouille der Eroberer aufgehalten zu werden und Erklärungen abgeben zu müssen.
In Valence, wo die Einwohner und Krieger, die sich dort zurückgezogen hatten, sich auf die Verteidigung vorbereiteten, indem sie nutzlose Strategien ersannen und wirkungslose Kriegsmaschinen bauten – erzählte Falkenmond zum ersten Mal seine Geschichte.
»Ich bin Dorian Falkenmond von Köln«, eröffnete er dem Hauptmann, zu dem ihn die Soldaten brachten.
Der Hauptmann sah ihn sich genau an. »Der Herzog von Köln lebt gewiss nicht mehr – die Granbretanier nahmen ihn gefangen«, sagte
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