Der Herzog Von Köln
Falkenmond näher kam, drehte der kleine Mann sich um. Er sah die Klinge in des Herzogs Hand, schrie erschrocken auf und sprang vom Feuer weg. Falkenmond starrte ihn überrascht an. Das Gesicht des Kleinen war über und über mit feinem rotem Haar bewachsen, und ein dichtes Fell der gleichen Farbe bedeckte offenbar seinen ganzen Körper. Er trug ein Lederwams und ein kurzes Lederbeinkleid mit einem breiten Gürtel. Seine Füße steckten in weichen Rehlederstiefeln, und auf seiner Mütze wiegten sich vier oder fünf der seidigsten Flamingofedern, die er sich beim Rupfen des Vogels offenbar zurückbehalten hatte.
Mit flehend erhobenen Händen stolperte er rückwärts. »Vergebt mir, Herr! Ich versichere Euch, ich bedauere es zutiefst. Hätte ich gewusst, dass dieser Vogel einen Reiter trug, ich würde ihn ganz sicherlich nicht erschossen haben. Aber in meinem Hunger sah ich nur die Mahlzeit, die ich mir nicht entgehen lassen durfte …«
Falkenmond ließ das Schwert sinken. »Wer bist du? Oder vielmehr, was bist du?« Er presste eine Hand gegen seine Stirn. Die sengende Hitze und die Anstrengung verursachten ein Schwindelgefühl.
»Ich bin Oladahn vom Stamm der Bergriesen«, begann der Kleine, »und wohlbekannt hier …«
»Riese? Riese!« Falkenmond lachte heiser, schwankte und fiel, als ihn das Bewusstsein erneut verließ.
Als er das nächstemal erwachte, stieg ihm der Duft gebratenen Geflügels in die Nase. Er lag im Höhleneingang, sein Schwert war verschwunden. Etwas zögernd kam der kleine Pelzmann auf ihn zu und hielt ihm einen gewaltigen gebratenen Flamingoschenkel hin. »Esst, Herr«, forderte er ihn auf. »Dann werdet Ihr Euch besser fühlen.«
Falkenmond nahm das große Fleischstück. »Warum nicht«, murmelte er. »Da du mich wahrscheinlich ohnehin all dessen beraubtest, was mir noch hätte helfen können.«
»Hing Euer Herz an diesem Vogel, Herr?« fragte Oladahn bedrückt.
»Das nicht. Aber ich befinde mich in Todesgefahr, und der Flamingo war meine einzige Hoffnung zu entkommen.« Falkenmond kaute an dem zähen Fleisch.
»Jemand verfolgt Euch?«
»Etwas verfolgt mich – ein ungewöhnliches und abscheuliches Geschick …« Und plötzlich hatte Falkenmond das Bedürfnis, jener Kreatur, die dieses grausame Ende noch näher gebracht hatte, alles zu erzählen. Er verstand selbst nicht, wieso er diesem pelzigen Wesen so sehr vertraute. Vielleicht lag es an der Art, wie es ihm mit seinem halbmenschlichen Gesicht aufmerksam und mitfühlend lauschte, wie seine Augen sich bei jeder neuen Einzelheit weiteten. »Und hier bin ich also«, schloss er, »und verzehre den Vogel, der meine Rettung hätte bedeuten können.«
»Das ist ein ironisches Geschick, Herr«, seufzte Oladahn und wischte sich Fett aus den Haaren um den Mund. »Ich bedauere von ganzem Herzen, dass mein knurrender Magen dieses Euer letztes Missgeschick herbeiführte. Morgen werde ich zusehen, dass ich Euch ein Reittier besorgen kann, das Euch in den Osten zu bringen vermag.«
»Eines, das fliegen kann?«
»Leider nein, Herr. Ich dachte an eine Ziege.« Ehe Falkenmond den Mund öffnen konnte, fuhr Oladahn fort »Man hat Respekt vor mir hier in den Bergen. Ihr müsst wissen, ich entstamme der ungewöhnlichen Verbindung zwischen einem abenteuerlichen jungen Mann mit etwas ausgefallenem Geschmack – einem Zauberer – und einer Bergriesin. Doch längst bin ich eine Waise, denn Mutter aß Vater in einem harten Winter, und dann wurde sie ihrerseits von Onkel Barkyos verspeist. Er ist der wildeste und am meisten gefürchtete Riese dieser Gegend. Seither bin ich ganz auf mich allein gestellt. Meine einzige Gesellschaft waren die Bücher meines Vaters. Ich bin ein Ausgestoßener – zu fremdartig, als dass die Familie meines Vaters oder die Verwandten meiner Mutter mich aufgenommen hätten. Wenn ich nicht so klein gewesen wäre, hätte mein Onkel Barkyos mich zweifellos ebenfalls verspeist …«
Oladahns Gesicht wirkte so komisch in seiner Melancholie, dass Falkenmond ihm nichts mehr übel nehmen konnte. Außerdem war er müde von der Hitze des Feuers, und das gewaltige Stück Fleisch, das er verzehrt hatte, lag wie ein Klumpen in seinem Magen.
»Genug, Freund Oladahn«, murmelte er. »Lasst uns vergessen, was nicht mehr zu ändern ist. Begeben wir uns jetzt zur Ruhe und morgen suchen wir ein Reittier für mich, das mich nach Persien bringt.«
Als sie bei Morgengrauen erwachten, sahen sie die Glut unter dem Spieß und eine Gruppe von Männern
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