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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Es war höchste Zeit, denn eine Woche später griff Hitler Rußland an, und ein paar Tage danach traten wir Finnen in den Krieg ein. Aber in meinem Rucksack klapperte kein Kochgeschirr!«
    Happola verbrachte die ganze Kriegszeit in der Ner­ venklinik. Dort hatte man ihn als hoffnungslosen Fall eingestuft. Er nahm unterdessen sechs Kilo zu.
    »In der Hinsicht ließ es sich hier aushalten, bloß wur­ de einem zwischen den Verrückten die Zeit mächtig lang.«
    Als Finnland den Waffenstillstand mit der Sowjetuni­ on unterzeichnete, ließ Happola erste Anzeichen von Genesung erkennen. Dann brach jedoch der Lappland­ krieg aus, und die Geisteskrankheit bekam noch einmal volle Gewalt über ihn. Erst nach dem Zusammenbruch Deutschlands war Happolas mentale Gesundheit zu­ rückgekehrt. Er hatte darum gebeten, ins Zivilleben entlassen zu werden, so wie die anderen Männer.
    »Verflucht, die haben mich nicht rausgelassen! Die Ärzte haben mir auf die Schulter geklopft und gesagt: Happola, Happola, jetzt mal ganz ruhig.«
    Er hatte sein Haus auf seine Schwester überschreiben lassen, weil er befürchtete, der Staat würde einem Ent­ mündigten das Eigentum beschlagnahmen.
    Happola war verbittert. Er war immer ein Ouluer mit gesundem Menschenverstand gewesen, doch das wollte ihm niemand mehr glauben.
    »Warum fliehst du nicht?« fragte Huttunen. »Wohin sollte ich gehen? Im Immobilienbereich kann
    man sich nicht verstecken. Ich bin ja gezwungen, in Oulu zu wohnen, weil ich hier mein Haus habe. Aber was meinst du, was passiert, wenn seit dem Waffenstill­ stand zehn Jahre vergangen sind! Dann marschiere ich, so wahr ich hier stehe, zum Oberarzt und decke die ganze Sache auf.«
    »Warum gehst du nicht jetzt gleich hin und erzählst, daß du den Geisteskranken bloß gespielt hast?«
    »Darüber habe ich in den letzten Jahren viel nachge­ dacht. Es ist leider nicht so ohne weiteres möglich. Ich käme zwar hier raus, aber was würde mir das nützen, wenn man mich gleich anschließend in den Knast sperr­
    te. Simulation ist nämlich ein Kriegsverbrechen, und das verjährt erst nach zehn Jahren.«
    Huttunen gab zu, daß es vernünftig sei, so lange zu warten, bis das Verbrechen des Irreseins verjährte. Es wäre fatal, aus der Nervenklinik geradewegs ins Gefäng­ nis zu wandern.
    »Aber wie hast du denn deine Geschäfte von hier aus betreiben können? Die Fenster sind vergittert und die Türen verschlossen.«
    »Ich habe meine eigenen Schlüssel, vor ein paar Jah­ ren von einem Pfleger gekauft. Es ist allerdings müh­ sam, denn was ich in der Stadt zu erledigen habe, muß ich nachts machen. Selten kann man hier mal tagsüber unbemerkt verschwinden. Einige Male im Jahr bin ich gezwungen, am Tag Mietrückstände einzutreiben, aber sonst erledige ich die laufenden Angelegenheiten in der Nacht. Es ist harte Arbeit, für ein ganzes Haus verant­ wortlich zu sein, besonders wenn man auch noch im Ruf eines Verrückten steht.«
    »Mach dir nichts draus. Mich halten sie auch für verrückt«, tröstete ihn Huttunen.
    »Eine kleine Macke wirst du immerhin haben. Aber ich muß nun schon fast zehn Jahre lang den Verrückten spielen. Die anderen haben fünf Jahre im Krieg verloren, und ich habe hier schon fast die doppelte Zeit zuge­ bracht. Es ist wirklich nicht einfach.«
    Happola beklagte eine Weile sein Los, sah jedoch bald wieder die lichteren Seiten seiner Lage:
    »Das Gute an der Sache ist natürlich, daß sich Geld auf der Bank angesammelt hat. Hier hat man ja kosten­ losen Unterhalt. Wenn ich rauskomme, bin ich ein ziemlich begüterter Mann.«
    Er bot Huttunen verstohlen zu rauchen an. Er erzähl­ te, er bringe die Zigaretten aus der Stadt mit und manchmal, wenn es ihm hier besonders langweilig wer­ de, trinke er heimlich unter der Bettdecke eine Flasche Schnaps.
    »Weiber mitzubringen lohnt nicht, da schnappen sie dich sofort. Und die Weiber hier drinnen sind so be­ kloppt, daß du lieber die Finger von ihnen läßt.«
    Die Männer rauchten schweigend. Huttunen dachte über Happolas Schicksal nach. Wie es schien, führte aus dieser Anstalt kein Weg hinaus, ob man nun freiwil­ lig gekommen oder zwangsweise eingeliefert worden war.
    Happola beschwor Huttunen, niemandem sein Ge­ heimnis zu erzählen. Huttunen fragte ihn, ob ihn seine Mieter nicht anzeigten, wenn er kam, um die Rückstän­ de einzutreiben.
    »Das wäre nicht gut für sie. Wer sich muckst, den jage ich sofort auf die Straße. Zum Glück herrscht in Oulu

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