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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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eine so schlimme Wohnungsnot, daß es sich keiner leisten kann, das Maul aufzureißen. Die Miete muß rechtzeitig bezahlt werden, ob der Vermieter verrückt ist oder nicht.«
    14
    Johanni in der Ouluer Nervenklinik erinnerte nicht im geringsten an das mittsommerliche Fest des Lichtes und der Freude. Bei den Unruhigen ging es zwar die ganze Nacht hoch her, es wurde geschrien und getobt, doch war es keine Sonnwendfeier, sondern das gewohnte allnächtliche Ritual. Happola erklärte, die Klinik pflege nie auf einen Feiertag zu reagieren. Nur Weihnachten zeige die Anstaltsleitung so viel Milde, daß sie sogar in die geschlossenen Abteilungen eine kleine Gruppe der Pfingstgemeinde einlasse, die dort ihre trostlosen Lieder vortrage. Die Stimmung sei immer ziemlich gedrückt, denn der Chor habe so viel Angst vor den dort einge­ sperrten Patienten, daß er seine Lieder möglichst schnell und sicherheitshalber in drohendem Ton singe.
    »Aber wir sind ja auch nicht zum Feiern hier«, konsta­ tierte Happola sarkastisch.
    In der Woche nach Johanni wurde Huttunen zum Arzt bestellt. Zwei Pfleger begleiteten ihn.
    Der Arzt hatte sich inzwischen mit Huttunens Unter­ lagen befaßt. Er fuhrwerkte wie üblich heftig mit seiner Brille herum und wies den Patienten an, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Zu den Pflegern bemerkte er:
    »Sie setzen sich für alle Fälle dort an die Tür.« Dann verkündete er Huttunen, er habe nun den
    Krankenbericht sowie die Überweisung von Gemeinde­ arzt Ervinen studiert.
    »Es sieht nicht gut aus. Wie ich bereits letztes Mal konstatierte, leiden Sie offensichtlich an einer schweren Kriegspsychose. Ich war im Krieg als Major im Sanitäts­ dienst tätig, mir sind diese Fälle bekannt.«
    Huttunen widersprach. Er sagte, er leide an nichts und er verlange, aus der Klinik entlassen zu werden. Der Arzt machte sich nicht die Mühe, darauf einzuge­ hen, sondern blätterte im Militärmedizinischen Journal. Huttunen sah, daß es aus dem Jahr 1941 stammte. Der Arzt schlug einen Artikel mit dem Titel »Über Kriegspsy­ chosen und -neurosen im und nach dem Krieg« auf.
    »Lassen Sie das Schielen. Das geht Sie nichts an«, knurrte er und putzte seine Brille.
    »All das ist wissenschaftlich untersucht worden. Hier heißt es, daß 1916 bis 1918 in der englischen Armee, die in den flandrischen Mooren kämpfte, ein Drittel der Soldaten aufgrund von Psychosen und Neurosen dauer­ haft unfähig zum Frontdienst war. Kennzeichnend für die Kriegspsychosen und -neurosen ist, daß sie sich besonders leicht bei Personen mit einer gewissen konsti­ tutionellen Schwäche entwickeln und die Eigenschaft haben, aus immer geringfügigeren äußeren Anlässen erneut aufzutreten. Dann heißt es hier noch, daß es in Finnland in den Einberufungsjahrgängen 1920 bis 1939 etwa dreizehn- bis sechzehntausend geistesschwache Männer gab, von denen anscheinend die große Mehrheit am Krieg teilgenommen hat.«
    Der Arzt blickte auf und starrte Huttunen über den Tisch hinweg in die Augen.
    »Beim letzten Mal haben Sie zugegeben, daß Sie an unseren beiden Kriegen teilgenommen haben.«
    Huttunen nickte, sagte jedoch, er begreife nicht, wieso das der Beweis für seine Geisteskrankheit sei:
    »Da waren ja auch noch andere außer mir.« Der Arzt zitierte seinem Patienten weitere Einzelheiten
    aus dem Artikel. Die Pfleger begannen zum Zeitvertreib zu rauchen. Auch Huttunen hatte Lust auf eine Zigaret­ te, wußte jedoch, daß den Patienten nicht einmal ein einziger Zug gestattet war.
    »Den Schwachsinnigen leitet im Krieg ein primitiver Selbsterhaltungstrieb… Eine so erhabene Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft, wie sie in unserer Armee herrscht, reißt ihn nicht mit, sondern er versucht auf jede Weise, Schwierigkeiten und unangenehmen Erleb­ nissen aus dem Weg zu gehen. Der Runebergsche Sven-Dufva-Typ gehört zweifellos zu den seltenen Ausnah­ men.« *
    Der Arzt musterte Huttunen angewidert. Dann blät­ terte er weiter, las für sich ein paar unterstrichene Stellen und fuhr schließlich laut fort:
    »Die Reaktion zeigt sich beim Schwachsinnigen als Verwirrungszustand, für den kindisch-plapperndes Verhalten und Trübung des Bewußtseins kennzeich­ nend sind. Oft ist der Schwachsinnige dabei unsauber, beschmiert die Wände seines Zimmers mit seinen Ex­ krementen, ißt diese und so weiter.«
    Er wandte sich an die Pfleger, die sich hinten unter­ hielten, und fragte sie, ob der hier anwesende Patient die genannten Symptome gezeigt habe.

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