Der heulende Müller
befürchten, daß sie sich nicht hinauswagte.
Erst zur Zeit des Sonnenuntergangs wurde es im Dorf still. Die Hunde wurden angebunden, und die Bauern gingen zum Essen nach Hause. Huttunen verließ sein Lager und machte sich auf den Weg zur Erleninsel.
Die Insel hatte tagsüber Besuch gehabt – das Mük kenzelt war fort. Die Schnüre und Stangen waren rings-um im Gebüsch verstreut. Huttunen sammelte die Stangen ein und rollte die Schnur auf.
»Die Leute lassen einfach alles herumliegen.« Er fürchtete, Sanelma Käyrämö würde sich nicht auf
die Insel wagen, aber sie erschien. Sie kam ängstlich über die Brücke, die Huttunen gebaut hatte, und trug einen Korb, aus dem eine Milchflasche hervorschaute. Huttunen umarmte sie und aß. Inzwischen erzählte sie ihm, was sich im Lauf des Tages im Kirchdorf ereignet hatte.
Huttunen wurde jetzt steckbrieflich gesucht. Er hätte nicht mit seiner Axt in den Laden eindringen dürfen, tadelte sie ihn.
»Und dann hast du die Axt noch gegen die Wurst auf gewogen. Tervola verklagt dich bestimmt wegen Haus friedensbruch. Der Kommissar hat aus Oulu ein amtli ches Schreiben gekriegt, in dem es heißt, daß du von dort geflüchtet bist und daß man Order gibt, dich zu ergreifen. Der Kommissar hat gesagt, jetzt ist alles höchst offiziell.«
Huttunen beendete seine Mahlzeit. Aber die Klubbera terin war noch nicht fertig:
»Du hast auch noch einen Telefonmast gefällt. Es mußten extra Entstörungsleute aus Kemi geholt werden, und die Leitung ist immer noch nicht in Ordnung. Das Fräulein von der Vermittlung hat mir erzählt, für das Zerstören einer Leitung kann es sogar Gefängnisstrafe geben, wenn das Fernmeldeamt schlecht gelaunt ist.«
Huttunen blieb lange Zeit schweigsam und starrte auf den dämmerigen Bach. Dann holte er seine Brieftasche heraus, entnahm ihr sein Sparkassenbuch und übergab es der Klubberaterin.
»Das Geld wird knapp. Würdest du hingehen und al les abheben, was auf diesem Konto ist? Du kannst mich hier draußen nicht von deinem Gehalt miternähren, das wird zu teuer.«
Er riß aus seinem blaukarierten Heft ein Blatt Papier heraus und schrieb eine Vollmacht. Sanelma Käyrämö setzte ebenfalls ihren Namen darunter, und dann kra kelte Huttunen noch zwei Namen von Zeugen dazu: Jussi Vogel und Heikki Wolf. Beide hatten eine sehr individuelle Handschrift. Huttunen sagte, auf dem Konto sei nicht wer weiß wieviel Geld, doch wenn er sparsam lebte, würde er damit wohl bis zum Herbst, im besten Fall bis zum Winteranfang auskommen.
»Ich hab’ mir vorgenommen zu angeln, damit mein Unterhalt billiger wird«, erklärte er der Klubberaterin.
Sie bat ihn, nicht mehr auf die Erleninsel zu kommen, ihr Treffpunkt sei entdeckt worden. Am Tag hatte Viitta vaara die Laken von Huttunens Mückenzelt ins Dorf gebracht und gefaltet dem Kommissar übergeben. Gegen Abend hatten die Frauen des Kommissars und des Lehrers am Fluß gewaschen. Zwischen den Wäsche stücken war auch Huttunens Mückenzelt gewesen, die Klubberaterin hatte es später auf der Leine hängen sehen.
Als neuen Treffpunkt vereinbarte das Paar die Weg kreuzung am Reutumoor, fünf Kilometer vom Kirchdorf entfernt auf der Ostseite des Kemiflusses. Die Klubbera terin versprach, eine Woche später mit dem Fahrrad dort hinzukommen. Vorläufig, solange die Suche auf Hochtouren lief, wäre es klüger, sich nicht zu treffen. Die Leute im Dorf behielten Sanelma Käyrämö ohnehin im Auge.
»Im Moment steht es wirklich schlimm…. aber eine gute Sache gibt es immerhin, lieber Gunnar: dein Gemüsegarten gedeiht prächtig. Man könnte schon Mohrrüben ernten, und die Rüben sind bald so groß wie ein Kopf. Ich jäte und dünge den Garten, mach dir nur keine Sorgen. Wenn sich die Leute nachher beruhigt haben, kannst du dir frisches Gemüse holen, dann kriegst du Vitamine. Du glaubst nicht, wie wichtig sie für den Menschen sind. Besonders hier draußen im Wald.«
Die Klubberaterin kehrte bald ins Dorf zurück. Auch Huttunen verließ die Erleninsel und verschwand in der Nacht. Am folgenden Tag sprach die Klubberaterin bei Huhtamoinen, dem Direktor der Genossenschaftsbank, vor. Dieser bat sie, Platz zu nehmen. Er hätte ihr beina he eine Zigarre angeboten, schloß dann aber die Schachtel und rauchte auch selbst nicht. Sanelma Käyrämö überreichte ihm Huttunens Sparbuch samt der Vollmacht.
»Der Müller Gunnar Huttunen hat mich aus Oulu an gerufen und mir aufgetragen, sein gesamtes Geld
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