Der heulende Müller
von der Bank abzuheben. Er hat gesagt, er braucht in der Kantine der Klinik eigenes Geld.«
Der Bankdirektor prüfte das Sparbuch, nickte und las die Vollmacht.
»Per Telefon hat Herr Huttunen Ihnen diese Doku mente zugestellt?«
Die Beraterin erklärte eilig, die Papiere seien am Mor-gen mit der Post gekommen, Briefträger Piittisjärvi habe sie gebracht.
Der Direktor begann in väterlichem, fast belehrendem Ton zu sprechen:
»Sie wissen, liebes Fräulein, daß wir hier in der Bank unter dem Siegel des Bankgeheimnisses arbeiten. Ich habe meinen Angestellten, also Oberbuchhalter Sailo und Fräulein Kymäläinen, stets eingeschärft, daß das Bankgeheimnis unerschütterlich ist. Es ist bindender als der hippokratische Eid. Ganz allgemein sind im Bankwesen meiner Meinung nach drei Grundregeln zu beachten. Die erste, also a), lautet, daß die Konten immer auf den Pfennig genau stimmen müssen. Dabei darf keinerlei Fehler geduldet werden. Zweitens, b), die Bank muß Liquidität besitzen. Eine Bank muß solvent sein. Zügellose Kreditvergabe gereicht selbst einem großen Geldinstitut nicht zur Ehre. Nicht einmal die Industrie darf unterstützt werden, wenn die eigene Position der Bank auch nur im geringsten Maß gefähr det ist. Und drittens, also c), die letzte Grundregel: Die Bank hat für die unbedingte Wahrung des Bankgeheim nisses zu sorgen. Es dürfen keinerlei Informationen über die Angelegenheiten eines Kunden aus der Bank hin ausdringen. Nicht ohne und auch nicht mit Genehmi gung des Kunden. Ich würde sagen, man kann das Bankgeheimnis in seiner Strenge durchaus mit dem Militärgeheimnis vergleichen, besonders jetzt in Frie denszeiten.« Sanelma Käyrämö begriff nicht, weshalb Huhtamoinen ihr einen Vortrag über das Bankgeheim nis hielt. Sie fragte, ob er nicht gedenke, ihr Huttunens Ersparnisse auszuzahlen.
»Alle wissen doch, daß der Müller Gunnar Huttunen aus der Ouluer Nervenklinik geflohen ist. Ich habe Grund zu der Annahme, daß Sie, Fräulein Käyrämö, es übernommen haben, sich um seine laufenden Angele genheiten zu kümmern, da er auf vielerlei Weise verhin dert ist, dies selbst zu tun.«
Der Direktor schloß Huttunens Sparbuch und die Vollmacht in den Panzerschrank ein.
»Ich muß Ihnen mitteilen, Fräulein Käyrämö, daß wir Herrn Huttunens Guthaben nicht auszahlen können. Er wurde offiziell entmündigt. Außerdem befindet er sich auf der Flucht. Sie verstehen wohl, daß eine Bank nicht einfach an Dritte Geld eines Mannes auszahlen kann, der aufgrund seiner Geisteskrankheit nicht selbst in der Lage ist, es abzuheben. Außerdem besitzt Huttunen keine Adresse. Möglicherweise wissen nur Sie, wo er sich versteckt hält. Ich frage Sie nicht nach seinem Aufenthaltsort, ich bin kein Polizist. Ich bin ein Diener des Finanzwesens, und die Sache berührt mich nicht im kriminellen Sinn. Sie verstehen wohl, was ich damit sagen will?«
»Aber es ist doch sein Geld«, versuchte die Klubbera terin zu argumentieren.
»Im Prinzip ist es natürlich Huttunens Eigentum. Das leugne ich nicht. Aber wie gesagt, ich zahle an nieman den Geld aus ohne eine amtliche Genehmigung. In diesem Fall flössen die Mittel geradewegs in den Wald, um die Sache bildlich auszudrücken. Wohin sollte es führen, liebes Fräulein, wenn in den Banken die Praxis herrschte, die Ersparnisse und Zinsen der Kunden an irgendwelche Sümpfe und Fjälle auszuzahlen?«
Die Klubberaterin begann zu schluchzen. Wie sollte sie das Huttunen erklären?
Huhtamoinen schrieb auf ein Blatt Papier die Bot schaft:
»Die Genossenschaftsbank ist nicht bereit, Ihr wertes Guthaben oder dessen Zinsen an jemand anderen als Sie persönlich auszuzahlen, und auch dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Behörden. Hochach tungsvoll, Ihr A. Huhtamoinen, Bankdirektor.«
»Aber wie ich betonte, halte ich das Bankgeheimnis in Ehren. Falls jemand kommt und mich fragt – nennen wir mal als Beispiel Kommissar Jaatila –, in welcher Angelegenheit Sie heute hiergewesen sind, dann schüt tele ich nur den Kopf und bleibe stumm wie eine Mauer. Falls die Behörden mich auffordern zu erzählen, wo sich Herr Huttunen befindet, schweige ich, selbst wenn ich es wüßte, wo er sich versteckt. Das verstehe ich unter Bankgeheimnis. Es ist im Grunde genommen heilig. Ich werde der Polizei erklären, Sie seien hiergewesen, um einen Kredit zu beantragen für… sagen wir: für die Anschaffung einer Nähmaschine?«
»Ich besitze schon eine«,
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