Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
stellte den Korb auf die Erde und wandte sich zum Gehen. Aber Viittavaara hängte sich den Korb über den Arm, und als Portimo ihn verwundert ansah,
    sagte er:
    »Soll Kunnari hungern. Diese Leckerbissen lass’ ich dem Kerl nicht hier.«
    Um seine Worte zu unterstreichen, zerquetschte Viit­ tavaara die Ringelblumen am nächsten Baum. Portimo schaute weg, zufällig gerade in Huttunens Richtung, er blieb stehen, starrte lange hin; die Blicke des Einsiedlers und des Polizisten trafen sich. Portimo räusperte sich verdutzt und wandte den Blick ab. Er ging zur Straße und rief von dort nach Viittavaara.
    Der stapfte hinter ihm her, den Mund voller Kuchen. Er stellte den Korb für einen Moment ab, um die Flinte zu schultern, nahm ihn dann wieder auf und ging mit Portimo in Richtung Kirchdorf davon. Huttunen hörte, wie Viittavaara mit lauter Stimme redete und dabei Kuchen aß. Portimo reagierte kaum, sondern war mit seinen Gedanken beschäftigt.
    Als Huttunen hungrig und wie betäubt in seinem La­ ger eintraf, erwartete ihn dort eine weitere böse Überra­ schung. Er bemerkte, daß sich das Floß nicht mehr an seinem Platz befand. Jemand hatte es ans andere Ufer gestakt und dort verankert. Wer, warum? War dieser abgelegene und anscheinend sichere Stützpunkt den­ noch entdeckt worden? Kannten die Bewohner des Kirchdorfes sein geheimes Lager?
    Huttunen watete an der Stromschnelle im Oberlauf durch den Fluß, um sein Floß zurückzuholen. Auf den Kiefernbalken entdeckte er Spuren von Fisch – Einge­ weide und silbrige Schuppen. Er beruhigte sich. Es war nur ein Angler gewesen, der zufällig vorbeigekommen war und sein Floß benutzt hatte. Kaum anzunehmen, daß der Gast das Lager hinter dem Ufergebüsch be­ merkt hatte.
    Huttunen befestigte das Floß hundert Meter weiter stromabwärts. Dann kehrte er ins Lager zurück und bereitete sich ein karges Abendbrot. Als Nachtisch aß er einen Napf süßer Heidelbeeren. Aber seine Gedanken waren nicht süß. Er verspürte ohnmächtige Wut auf die Bauern des Sprengels. Sie waren zu seinen Verfolgern, seinen Häschern, zu Vollstreckungsbeamten geworden. Könnte er doch gleichrangig mit ihnen kämpfen, Mann gegen Mann, dann würde sich alles regeln. Aber jetzt war er kraft Gesetzes der Unterlegene, ein schutzloser Einsiedler, dem jedes materielle Gut verboten war, selbst das Essen, sogar die Liebe. Man jagte ihn wie einen Verbrecher, nahm ihm das Brot vom Mund weg, belauerte sogar sein Mädchen wie eine Spionin.
    Nachdem er sich ausgeruht hatte, beschloß er, einen oder zwei Tage am Oberlauf des Flusses zu angeln. Mit dem Netz fing er jetzt hier beim Lager gerade noch Hech­ te. Er verließ sich auf den Fischreichtum in der Nähe der Quelle und rüstete sich mit einer Anzahl rötlicher Fliegen und einigen hellen Blinkern aus. Er packte Salz und Brot ein, denn er hatte die Absicht, die folgenden Tage von Fisch zu leben. Zum Schluß steckte er sich die Axt in den Gürtel.
    Es fiel ihm schwer, sein schmuckes Lager zu verlas­ sen, doch jetzt im Sommer mußte er jede freie Minute zum Fischfang nutzen, um für kommende Zeiten gerü­ stet zu sein, in denen es ihm vermutlich noch weitaus schlechter gehen würde. Während er am Fluß entlang­ wanderte, fluchte er auf Viittavaara:
    »Verdammter Schmarotzer.«
    24
    In der Schlafkammer des Kommissars wurde Poker gespielt. Jaatila hatte Doktor Ervinen und Kaufmann Tervola zum gemütlichen Herrenabend eingeladen. Zunächst hatten sie sich mit langweiligen Brettspielen vergnügt, doch nachdem Doktor Ervinen ein paar tüch­ tige Schluck Spiritus in die Sherrygläser gegossen hatte, beschlossen sie, sich den weiteren Abend mit Poker zu versüßen.
    Die Magd – oder das Stubenmädchen, wie die Frau des Kommissars zu sagen pflegte – erschien in der Tür, knickste widerwillig und teilte mit, ein Mann wolle den Kommissar sprechen. Jaatila mochte das Spiel nicht unterbrechen und ging deshalb nicht in sein Büro, sondern befahl der Magd, den Gast in die Kammer zu führen. Er hatte gerade drei Damen in seinem Blatt, zwei auf dem Tisch, eine verdeckt. Die letzte Karte war noch nicht gezogen. Er wußte bereits in dieser Phase des Spiels, daß er den Kaufmann überbieten würde, doch der verflixte Ervinen hatte unter Umständen einen Dreier. Jetzt jedoch erhöhte der Kommissar so viel, daß Ervinen blaß wurde. Allerdings war der Ärger des Arztes möglicherweise nur gespielt, denn er war ein Fuchs, wie der Kommissar wußte.
    In diesem Augenblick

Weitere Kostenlose Bücher