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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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die Männer machtlos. Die letzte Einkerbung war vor zwei Tagen vorgenommen worden, stellte der Kommissar fest, als er den Kalender mit seinem eigenen verglich.
    »Ohne Ausrüstung ist Huttunen gezwungen, ins Dorf zu kommen«, befand Kommissar Jaatila. »Ich fordere alle Anwesenden auf, während der kommenden Tage äu­ ßerst wachsam zu sein. Im Interesse der Sicherheit des Kirchdorfes muß der gefährlich geisteskranke Mann so schnell wie möglich in Gewahrsam genommen und in die Anstalt zurückbefördert werden.«
    Nach getaner Zerstörung traten die Männer den Heimweg an. Gerade zu dieser Zeit kehrte Huttunen, vom Oberlauf des Flusses kommend, in sein Lager zu­ rück, in einem Korb aus Weidenruten trug er seinen gut zehn Kilo schweren Fang. Er war zufrieden und hatte vor, sich als erstes einen starken Kaffee zu kochen.
    25
    Der Anblick des zerstörten Lagers erfüllte Huttunen mit kalter Wut. Alles war kurz und klein geschlagen und seine sämtliche Habe fortgeschafft worden. Nichts war verschont geblieben. Obwohl er das Gelände eingehend
    untersuchte, fand er keinen einzigen brauchbaren Ge­ genstand. Das Floß war fortgetrieben, sogar den Don­ nerbalken hatte man zersägt und die Grube darunter zugeschüttet.
    Huttunen stieß schreckliche Flüche aus. Jetzt befand sich sein Leben wieder in einer Sackgas­
    se. Er wußte, daß er ohne ordentliche Lagerausrüstung, ohne Schutz gegen die Härten der Wildnis hier draußen keine Chance hatte. Geblieben waren ihm nur die Klei­ der am Leib, ein paar Blinker und Fliegen sowie das Messer und die Axt.
    Der Einsiedler ahnte, daß die Bauern und der Kom­ missar das Lager gefunden und zerstört hatten. Er preßte mit weißen Knöcheln den Stiel der Axt und starr-te mit mörderischem Blick auf ihre funkelnde Schneide.
    Auf einem Holzspieß briet er ein wenig Fisch im Feu-er. Karg war das Mahl, denn mit dem Rucksack war auch das Salz entwendet worden. Betrübt kaute er den verkohlten, ungesalzenen Fisch. Dazu trank er Wasser aus dem Fluß. Die restlichen Fische vergrub er in der Asche und verließ dann den Ort. Die folgende Nacht verbrachte er auf dem Reutuberg auf einer Streu aus Fichtenzweigen. Mitten in der Nacht wachte er vor Kälte auf, kletterte auf den höchsten Felsen und blickte er­ zürnt in die Richtung des Kirchdorfes.
    Das Dorf schlief friedlich. In der Wärme ihrer Betten ruhten dort die Männer, die ihm das Lager zerstört hatten. Huttunen heulte drohend, zuerst leise, dann aus vollem Hals, laut und wahnwitzig.
    Das irre Geheul wurde in der klaren Sommernacht bis ins Kirchdorf getragen. Die Dorfhunde erwachten und begannen ängstlich und mit gesträubtem Nackenfell zu bellen. Nach und nach stimmten alle ein, bis zum klein­ sten Pinscher, sie bellten und jaulten aus voller Kraft und antworteten auf Huttunens Geheul von den Felsen des Reutubergs. Auch in den Nachbardörfern ertönte Hundegebell. Erst gegen Morgen kehrte Ruhe ein, als Huttunen auf seinen Fichtenzweigen längst schlief.
    Niemand im Kirchdorf fand Schlaf in dieser Nacht. Viele Bauern standen auf Strümpfen vor ihrer Haustür und horchten auf das Geheul, dann kehrten sie in die Stube zurück und sagten zu ihren Frauen:
    »Es ist Kunnari, der da heult.«
    Die Frauen seufzten ängstlich und meinten: »Man hätte ihn in Ruhe lasen sollen. Jetzt klagt der
    arme Kerl, weil ihm auch noch seine ganze Habe gestoh­ len wurde.«
    Am Morgen rief Kommissar Jaatila bei Siponen an und beorderte Klubberaterin Sanelma Käyrämö zu sich zum Verhör.
    Er brachte jedoch nichts Entscheidendes aus ihr her­ aus. Sie wußte nicht, wo sich der Müller Gunnar Huttu­ nen derzeit aufhielt. Der Kommissar warnte sie offiziell davor, den Müller noch länger zu schützen. Das sei nicht zulässig, erklärte er, Huttunen brauche Behand­ lung, und das Leben im Dorf müsse sich wieder norma­ lisieren. Dabei gähnte er und trank starken Kaffee. Der nächtliche Lärm Huttunens und der Dorfhunde hatte auch den obersten Amtmann nicht schlafen lassen.
    Während des Tages fuhren Kommissar Jaatila und Wachtmeister Portimo mit Hunden zum Reutuberg, um Huttunens Spuren zu suchen. Die Köter begriffen jedoch nicht, daß sie Huttunens Witterung aufnehmen sollten, auch wenn man sie noch so sehr an dessen Ausrü­ stungsgegenständen schnuppern ließ. Statt dessen bellten sie eifrig ein Eichhörnchen am Berghang an. Ärgerlich schoß Kommissar Jaatila mit der Pistole auf das Tier, obwohl er keinerlei Verwendung für ein Eich­

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