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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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sich im Erdgeschoß eines zweistöckigen Steinhauses. Im Obergeschoß wohn­ te Direktor Huhtamoinen mit seiner Familie, außerdem wahrscheinlich noch ein weiterer Angestellter, denn für nur eine Familie wirkte die Etage zu geräumig. Huttu­ nen musterte das Gebäude, in dessen Panzerschrank sein Geld lag. Er wollte einbrechen, um sich sein Eigen-tum zu holen, begriff aber, daß er nicht ohne Dynamit herankam. Besser war es, die Bank während der Dienst­ zeit aufzusuchen. Ohne eine verlängerte Hand sollte er das aber nicht tun. Die Axt war in diesem speziellen Fall zu brav. Ein Gewehr wäre besser geeignet, den Empfang des Geldes an der Kasse zu quittieren.
    Huttunen erinnerte sich an Ervinens vorzügliche Waf­ fensammlung. Ein Gewehr konnte der Doktor sehr gut entbehren, ihm blieben immer noch reichlich Waffen für den eigenen Bedarf, zumal jetzt keine Jagdsaison war.
    Am folgenden Abend traf Huttunen die Klubberaterin hinter Viittavaaras Milchbock im Wald. Sie war so ver­ ängstigt, daß sie förmlich zitterte. Huttunen flüsterte ihr Liebesworte ins Ohr, schlang schützend die Arme um sie und redete beruhigend auf sie ein. Sie berichtete, was seit ihrem letzten Treffen an Schrecklichem passiert war. Dann bot sie ihm Geld an, doch er wehrte ab:
    »Laß nur, du hast bloß dein kleines Gehalt. Ich werde mir mein Geld selber holen.«
    Huttunen bat sie, am späteren Abend Doktor Ervinen anzurufen und ihm zu sagen, er werde dringend im zwanzig Kilometer entfernten Kantojärvi gebraucht.
    »Sag ihm, für die Zangengeburt bei der Magd von Puukkokumpu braucht man unbedingt einen Arzt.«
    Als sie sich wunderte, warum sie dem Doktor solche Lügen auftischen solle, erklärte Huttunen, er wolle den Arzt für einige Zeit aus dem Haus locken. Während der Arzt in dem entlegenen Dorf einen Krankenbesuch mache, könne er, Huttunen, inzwischen in aller Ruhe dessen Haus aufsuchen.
    »Ich brauche unbedingt ein paar von seinen Tabletten. Er hat im Schrank neben dem Kamin Beruhigungspil­ len. Ich hab’ gesehen, wie er sie letztes Mal da rausge­ holt hat.«
    Sanelma Käyrämö verstand, daß Huttunen ein Beru­ higungsmittel brauchte. Aber sie hatte Angst:
    »Es ist trotzdem Diebstahl… Und es ist nicht richtig, anonym einen Arzt anzurufen. In Kantojärvi gibt es außerdem keine Gebärende, die Magd existiert über­ haupt nicht.«
    Huttunen überredete sie, zu tun, worum er sie bat. Handelte es sich hier nicht, mittelbar, um die Ausübung ärztlicher Tätigkeit? Denn krank war er letzten Endes, das konnte niemand bestreiten. Natürlich bewegte man sich hier ein wenig außerhalb des Gesetzes, aber man war gezwungen und hatte keine andere Wahl. Sein Kopf würde den Druck nicht mehr lange aushalten. Falls er in eine Apotheke ginge, um Medikamente zu kaufen, würde man ihn auf der Stelle festnehmen und mit dem nächstbesten Gefangenentransport in die Nervenklinik schicken. War es nicht so?
    Sanelma Käyrämö versprach, Ervinen noch am selben Abend anzurufen. Sie hatte Bedenken, der Arzt könnte ihre Stimme erkennen, doch Huttunen meinte, eine Frau verstehe es immer, ihre Stimme zu verstellen, schließlich könnten auch viele Männer in verschiedenen Zungen reden.
    »Also gut, ich rufe an. Von der Magd sage ich lieber nichts, aber in Kantojärvi ist eine gewisse Leena Lanki­ nen schwanger. Ich werde sagen, bei ihr droht eine Fehlgeburt.«
    Die Klubberaterin berichtete von ihrem Besuch in der Bank und davon, was der Kommissar beim Verhör von ihr wissen wollte und wie er ihr gedroht hatte. Huttunen wurde böse und sagte, jetzt gehe die Obrigkeit zu weit.
    »Wieso müssen sie dich bedrängen, wo du unschuldig bist! Du bist doch nicht aus der Irrenanstalt geflohen, hast nichts getan. Sollen sie wenigstens die Frauen in Ruhe lassen. Reicht es ihnen nicht, wenn sie mich Tag und Nacht jagen?«
    Bevor sie sich trennten, gab die Klubberaterin Huttu­ nen einen Kuß und ein Viertelkilo geräucherten Speck. Huttunen blieb trunken vor Glück im Wald zurück, in den Händen das köstliche Paket Speck und auf den Lippen den Nachgeschmack von Sanelmas heißem Kuß. Als sie davongeradelt war, packte er den Speck aus dem Pergamentpapier und aß ihn mitsamt der Schwarte auf, so ausgehungert war er.
    26
    Huttunens Taschenuhr zeigte acht. Er lauerte im Wald hinter Ervinens Haus. Bald würde es der Doktor sehr eilig haben, denn man brauchte ihn dringend in Kanto­ järvi wegen einer drohenden Fehlgeburt.
    Kurz nach acht Uhr kam Ervinen hastig und

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