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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Huttunen nicht antwortete, meinte jemand: »Der hört nicht. Ruft lauter!«
    Sie schrien so laut von der Fähre herüber, daß Hut­ tunen gezwungen war, seine Fahrt zu unterbrechen und zu antworten. Er zog sich die Mütze tief in die Augen und rief zurück:
    »Ich muß zur Bahnstation, komme gleich nach!« Damit waren die Männer zufrieden, und Huttunen
    konnte fliehen. Er zog das Boot in die Bachmündung und rannte in den Wald. Jetzt war wirklich Eile geboten. Zum Glück kannten ihn die Männer von der Fähre nicht.

Huttunen zog seinen Rucksack aus dem Gebüsch. Er studierte kurz Ervinens Karten und strebte dann zu den Ödwäldern westlich des Kemiflusses; sein Ziel war der Puukkohügel, der auf drei Seiten von großen Moorgebie­ ten eingeschlossen war. An einer Seite floß der kurven­ reiche kleine Puukkobach. Die Entfernung betrug gut zehn Kilometer. Dort glaubte sich Huttunen vorläufig sicher. Der Kommissar müßte mit ganzen Hundertschaf­ ten die Wälder durchkämmen, um ihn dort hinten auf­ zuspüren. Außerdem würde man die Suche zunächst auf die Ostseite des Kemiflusses, die Wälder am Reutu­ moor, konzentrieren.
    Den Tag verbrachte Huttunen auf dem Puukkohügel. Es war eine fichtenbewachsene Anhöhe, die Fichten waren schlank, ihre Spitzen scharf wie Messer. Von Zeit zu Zeit richtete Huttunen das Fernglas über das weite Sumpfmoor nach Osten, um zu sehen, ob die Verfolger seine Spur gefunden hatten.
    Huttunen zählte viele Male sein Geld. Es war auf den Pfennig genau die Summe, die er im Lauf der Jahre auf der Bank eingezahlt hatte, und die Zinsen dazu. Wenn sich die Situation in den Wäldern erst einmal beruhigt hatte, konnte er im Nachbarsprengel einkaufen. Zunächst war ihm Ervinens Angelgerät von Nutzen, und was sollte ihn daran hindern, zur Aufbesserung seiner Mahlzeiten ein paar Vögel zu schießen? Er untersuchte die Waffe, den schönen Stutzen. Es war ein handliches Gerät, ausgestattet mit einem Magazin für fünf Patronen und einem Zielfernrohr. Allerdings war es jetzt nicht ratsam, die Waffe auszuprobieren – ein einziger Schuß würde die im Wald verstreuten Verfolger auf seine Spur führen.
    Abends bekam Huttunen einen gehörigen Schreck – vor den Linsen seines Fernglases bewegte sich ein Mensch. Fern hinter dem weiten Moor tauchte ein klei­ ner Mann auf, der gebückt ging und eine offensichtlich schwere Last auf dem Rücken trug. Huttunen stellte das Fernglas auf die Gestalt ein. Was schleppte der Mann? Es sah aus wie ein großes Gefäß, ein schwarzes Faß. Die Entfernung betrug zwei Kilometer, noch ließ sich über die Beschaffenheit der Last nichts Genaues sagen. Auf jeden Fall war zu erkennen, daß der Mann es unge­ wöhnlich eilig hatte. Er hastete über den schwankenden Moorboden, und trotz seiner schweren Last gönnte er sich kaum eine Pause. Er kam geradewegs auf den Puukkohügel zu. Huttunen lud den Stutzen und warte­ te. Wenn der Mann allein war, wie es den Anschein hatte, brauchte er nicht gleich die Flucht zu ergreifen. Für alle Fälle versteckte er jedoch den Rucksack am Bachufer im Gebüsch.
    Der Mann näherte sich halb im Laufschritt. Huttunen erkannte jetzt, daß er ein rußiges Gefäß mit mindestens fünfzig Liter Fassungsvermögen trug. Im Takt seiner Schritte klang gedämpftes Klappern von Metall herüber. Anscheinend trug er Stangen oder Rohre unter dem Arm.
    Als der Mann bis auf Schußweite herangekommen war, blieb er stehen, setzte seine Last ab, seufzte ein paarmal und rannte dann schnell zurück in die Rich-tung, aus der er gekommen war. Jetzt, da er nichts zu tragen hatte, war sein Tempo enorm. Man sah, daß der kleine Kerl es brandeilig hatte.
    Huttunen wunderte sich: Weshalb schleppte der Mann ein schwarzes Gefäß hierher, mitten ins Moor? Wozu die Schinderei?
    Der emsige Kerl verschwand im Wald. Huttunen hatte Lust, hinzugehen und sich das Ungetüm anzusehen, das der Bursche gebracht hatte, doch die Sache war ihm nicht geheuer. Wie sollte man wissen, zu welchem Zweck das Gerät mit soviel Mühe hierhertransportiert worden war? Vielleicht hatte das Männchen eine un-heimlich große Bombe ins Moor getragen, als Köder und Falle für den neugierigen Einsiedler? Die Grausamkeit der Menschen ist groß und ihr Verstand heimtückisch – besser, man hielt sich diesem Schauspiel fern, solange es ging.
    Nach einiger Zeit tauchte derselbe Mann erneut auf, jetzt trug er eine andere, womöglich noch schwerere Last. Deshalb war er also wieder umgekehrt – er

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