Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Freibrief ausstellen, damit ihr euch sicher fühlt und beide Stadttore öffnet«, begann Erik.
Die Ratsherren begannen durcheinanderzureden. »Das ist wunderbar«, meinte der eine, und ein anderer rief: »Darauf haben wir gewartet.« Superintendent und Magister Josephi, der erneut eingeschlummert war, erwachte und rief: »Dem Himmel sei Dank.«
»Wir haben kaum noch Geld, um einen Freibrief bezahlen zu können«, gab Kirchmeier zu bedenken.
»Dafür wird es reichen«, warf Jehner ein, und sofort redeten alle wieder durcheinander.
Arne erhob sich von seinem Stuhl, sodass seine imposante Erscheinung die Männer zum Schweigen brachte, noch bevor er ein Wort sagte. Mit seinen graublauen Augen blickte er ernst in die Runde und berichtete: »Wir hatten uns in das Lager der Kaiserlichen und der Kroaten geschlichen, da wir herausfinden wollten, ob sie Johann und seine Familie gefangen halten. Als ich heimlich die Zelte durchsuchte, konnte ich einige Offiziere belauschen, die sich über diesen Freibrief unterhielten. Wir sind der Ansicht, dass ihr den Soldaten trotz des Freibriefs nicht vertrauen könnt. Ein Dokument solcher Art verspricht zwar, dass die Stadt nicht geplündert wird und den Bürgern nichts geschieht.« Arne schwieg einige Augenblicke, um den folgenden Sätzen mehr Bedeutung zu verleihen. »Diesen Soldaten aber, die euch vor eurer Stadtmauer belagern, ist nicht zu trauen, wie ich aus den Gesprächen ihrer Offiziere heraushören konnte. Sie führen nichts Gutes im Schilde. Ich glaube nicht, dass sie friedlich in euer Städtchen einmarschieren wollen. Sie werden plündern und zerstören, und wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, werden sie euch töten.«
Die Männer hielten die Luft an.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Jehner und schaute wie ein Kind starrköpfig in die Runde.
»O doch, das werden sie«, mischte sich nun Erik ein.
»Warum sollten sie ihr Wort brechen?«, fragte Bürgermeister Kirchmeier, der nun schlagartig wieder nüchtern war.
Arne erklärte mit ruhiger Stimme: »Die Soldaten beider Heere sind gelangweilt, ausgehungert und wütend, weil ihr sie seit Tagen hinhaltet. Deshalb sind sie zu allem bereit. Wenn sie erst einmal losgelassen sind, wird niemand sie aufhalten können.«
In der Schankstube herrschte bedrückende Stille, die Hans Kell mit seiner einfachen Frage an die beiden Schweden durchbrach: »Was würdet ihr an unserer Stelle machen?«
»Fliehen!«, erklärten Erik und Arne wie aus einem Mund.
Die Blicke der Allendorfer verrieten ihre Unsicherheit.
»Wenn das stimmt, was ihr sagt, ist Eile geboten. Die Offiziere der Truppen werden am Morgen kommen, um uns den Schutzbrief zu verkaufen. Danach werden wir kaum Zeit haben, die vielen Menschen sicher aus der Stadt zu bringen. Die Kroaten und die Kaiserlichen werden sofort Einlass wollen«, gab einer der jüngeren Ratsherren zu bedenken, als ein älterer mit grauem Haar und Falkennase ihm widersprach: »Ich sage euch, wir pfeifen auf den Schutzbrief und sitzen die Belagerung aus. Irgendwann werden sie aufgeben und weiterziehen.«
»Ihr verkennt den Ernst der Lage, meine Herren«, rügte Erik die Männer. »Ihr müsst den Schutzbrief entgegennehmen und die Tore öffnen, da man sonst mit Gewalt in die Stadt eindringen wird.«
»Ach was«, wehrte Kirchmeier ab. »Das haben sie am Morgen schon versucht und sind kläglich gescheitert.«
Arne lachte höhnisch auf. »Du meinst die Fässer, die sie gegen die Mauer gestellt haben?«
Der Bürgermeister blickte ihn erstaunt an. »Woher weißt du davon?«
»Ich sagte bereits, dass ich die Offiziere belauscht habe. Der Handstreich mit den Fässern sollte euch in Sicherheit wiegen, was anscheinend auch gelungen ist.«
»Es ist schon fast Mitternacht. Wie sollen wir so schnell unser Hab und Gut zusammenpacken und fliehen?«, warf Gabriel Kell ein.
»Ich denke, wenn die Truppen Einlass bekommen und sehen, dass in der Stadt nicht viel zu holen ist und auch keine Bürger da sind, an denen sie ihre Wut auslassen können, werden sie schnell zur nächsten Stadt weiterziehen. Ihr könnt sicherlich rasch wieder nach Allendorf zurückkehren. Deshalb nehmt nur das Nötigste mit«, riet Erik.
»Bei all euren Überlegungen«, warf Kirchmeier ein, »habt ihr eines vergessen: Wenn wir mit fast siebenhundert Menschen durch die Tore fliehen, werden die Soldaten es bemerken.«
»Wer sagt, dass ihr durch die Tore gehen sollt?«, fragte Arne und grinste.
Die Männer sahen verwirrt umher, sodass
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