Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
ohne dass sie es merkte. »Könnte mir doch jemand mit einem Rat zur Seite stehen«, jammerte sie leise. Sie wusste, dass Jodokus nicht zögern würde, das Dämonenkind in die Nisse zu werfen. Deshalb hatte sie ihrem Mann von dem Gespräch mit Helene nichts erzählt. Sie wischte sich die Tränen fort und schnäuzte sich in ein Tuch, das sie aus der Rocktasche zog.
Hin und wieder zuckte das Gesicht des Kindes, als ob es träumte, und manchmal glaubte Karoline ein Lächeln um seinen Mund zu erkennen. Einzelne helle lange Locken, die verfilzt und strähnig waren, hingen dem Kind über eine Wange. Karoline war versucht, sie zurückzustreichen. »Es kommt mir vor, als ob er manchmal menschliche Züge hat«, dachte sie und murmelte leise: »Wenn man dir doch nur die verzottelten Haare abschneiden könnte.« Wehmütig überlegte sie: Ob deine Dämoneneltern meinem Michael ebenfalls beim Schlafen zusehen?
Karoline strich sich die dunklen Haare zurück, als die Ketten des Kindes klirrten. Erschrocken sah sie, wie der Balg sich reckte und streckte.
Als das Kind die Frau erblickte, verzog es sein Gesichtchen. Es setzte sich auf und raunzte: »Mutr«, wobei es zu dem Loch an der Decke zeigte. »Piep, piep«, sang das Kind, und Karoline lächelte zaghaft.
Plötzlich hörte sie draußen im Hof Stimmen und Pferdeschnauben, da die Geräusche durch die Öffnung in der Decke in den Keller drangen.
»Wer könnte das sein?«, fragte sie, erhob sich und drehte sich zur Treppe.
Sogleich verzog sich das Gesicht des Wechselbalgs wieder, und er grunzte klagend auf, während er versuchte, den Rock der Frau zu greifen.
»Nimm deine Finger von meinem Gewand!«, schimpfte Karoline und eilte die Stufen hinauf.
Ausdruckslos schaute ihr das Kind hinterher und weinte leise.
»Ja, so habe ich unseren Hof in Erinnerung«, murmelte Johann und kämpfte mit seinen Gefühlen. »Zwar hat er damals prachtvoller ausgesehen, aber es ist der Hof meiner Kindheit und Jugend.« Vom Kutschbock aus ließ Johann seinen Blick zum Scheunendach schweifen, das an vielen Stellen ausgebessert werden musste. Das Tor hing windschief in den Angeln, und in den Ecken rosteten Gerätschaften. »Das sind die Auswirkungen des Kriegs, die es überall gibt«, entschuldigte Johann den heruntergekommenen Zustand des Hofs. »Sicher haben sie kaum noch Gesinde und müssen die Arbeit allein bewältigen. Mutter ist betagt und Karoline vielleicht fortgezogen«, mutmaßte er.
Franziska wagte kaum zu atmen. Sie griff nach Johanns Hand, denn die Erinnerungen an ihre Zeit auf dem Bonner’schen Hof kamen mit einem Schlag zurück. Manche Erinnerung entlockte ihr ein Lächeln, andere Erinnerungen versenkten sie in trübe Gedanken.
Sie sah sich wieder als junges Mädchen über den Hof zum Backhaus gehen, das sich hinter der Küche befand. Franziska erinnerte sich, wie die Köchin Berta sich die Hände am heißen Topfkuchenblech verbrannt hatte und man ihr, der Magd, die Schuld dafür gegeben hatte. Rasch verscheuchte sie die dunklen Gedanken, und ihr Blick schweifte zu der schmalen Stiege, die zu ihrer damaligen Kammer führte und der jetzt einige Holzstufen fehlten.
Johann und Franziska Bonner wagten nicht, vom Fuhrwerk zu steigen. Wie angekettet saßen sie Hand in Hand da und starrten zu den Gebäuden, die sie vor mehr als siebzehn Jahren verlassen hatten. Erst als ihr Sohn quengelte, erwachten sie aus ihrer Starre.
Benjamin blickte seine Eltern verständnislos an. »Warum steigt ihr nicht vom Kutschbock? Ich will endlich spielen«, schimpfte er.
Magdalena stieg ab und half ihm herunter.
Arne und Erik, die ihre Pferde neben das Fuhrwerk lenkten, schwangen die Beine aus den Sätteln und stiegen ab.
»Ihr habt es geschafft. Ihr seid endlich zu Hause angekommen«, sagte Arne mit belegter Stimme und blickte Magdalena forschend an, die traurig nickte. Als der Schwede sah, dass Johann nach Fassung ringend auf sein Elternhaus starrte und ihn nicht beachtete, wagte er es, Magdalena über die Wangen zu streicheln und über ihre Grübchen, die ihm so sehr gefielen. Bei dieser Berührung huschte ein zaghaftes Lächeln über Magdalenas Gesicht.
»Wir müssen dringend miteinander reden«, raunte er ihr zu.
Sie nickte. Da sie seit dem Auftauchen der beiden Schweden in Allendorf keine Gelegenheit gehabt hatten, allein miteinander zu sprechen, wusste Magdalena noch nicht, dass der geliebte Mann sechs Wochen Urlaub hatte und einige Zeit bei ihnen bleiben konnte, bevor er wieder in den Krieg
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