Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
ihre Gefühle offenbar nicht mehr erwiderte. Auch Jodokus wurde von den Menschen gemieden, sodass er nur noch selten ins Wirtshaus ging und kaum noch mit den Nachbarn sprach. »Der Hexenschwur betrifft nur mich«, murmelte Karoline und schaute ihm traurig hinterher, bis er im Stall verschwunden war. »Ich verspreche dir, Jodokus, dass ich die Dämonen zwingen werde, unser Kind zurückzubringen und ihren Balg zu holen, und dann wird alles wieder wie früher!«, flüsterte sie, und ihre Hand fasste nach dem Schlüssel, der an einem Band um ihren Hals hing.
• Kapitel 6 •
Der Pfarrer schien recht zu behalten. Regina Rehmringers Herz war stärker als ihr von der Krankheit schwer gezeichneter Körper, der zusehends verfiel. Ihre Wangenknochen stachen spitz in ihrem Gesicht hervor, ebenso wie die Rippen unter der Bettdecke. Ihr Atem ging rasselnd, und der Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Obwohl jeder, der sie betreute, darauf achtete, dass ihr Körper an den Druckstellen mit Ringelblumensalbe eingerieben wurde, hatten sich einige Stellen entzündet. Der Geruch von Eiter und verfaultem Fleisch hing im Raum, sodass mancher der Anwesenden versucht war, die Luft anzuhalten.
Magdalena, Maria und Johann hofften jeden Tag, dass der Herrgott Regina endlich erlösen und zu sich holen würde. Doch er schien sie noch nicht zu wollen, denn immer wieder wachte sie aus Ohnmacht und Schlaf auf. Dann rief sie mit schwacher Stimme nach ihrem vor langer Zeit verstorbenen Sohn Melchior und suchte ihn mit flatternden Lidern. Verwirrt schaute sie um sich und wusste doch nicht, wo sie war. In den wenigen Minuten, in denen ihr Blick klar schien, versuchte man, ihr vorsichtig Hühnersuppe einzuflößen, doch die Brühe lief ihr aus den Mundwinkeln und versickerte im Leinen des Kopfkissens.
Die Betreuung der Sterbenden zehrte an den Kräften von Johann, Maria und Magdalena, aber keiner von ihnen wollte sich dieser Aufgabe entziehen. »Es kann nicht mehr lange dauern«, trösteten sie sich und wachten abwechselnd Stunde um Stunde, Tag um Tag.
Endlich zeigte der Herrgott ein Erbarmen. Es war am Nikolaustag, als Regina ein letztes Mal die Augen aufriss. »Melchior!«, flüsterte sie, und ein Lächeln ließ ihre trüben Pupillen leuchten. Seufzend atmete sie aus und starb.
Es war Magdalena, die in der Stunde des Todes bei ihr saß und der Sterbenden die Hand hielt. Selbst als die Sechzehnjährige sicher war, dass Regina Rehmringer nicht mehr lebte, ließ sie die Hand nicht los. Sie betrachtete das entspannte Gesicht der Toten, die für sie wie eine Großmutter gewesen war. Magdalena betete: »Ewiger Gott, du hast uns geschaffen, hast uns ins Leben gerufen, du kennst uns mit unseren Namen, du hast die Menschen, die wir liebten, aus dem Leben gerufen. Du weißt, dass sie uns fehlen und ihr Verlust uns schmerzt, und doch sind wir dankbar für all das Schöne, was wir durch sie erfahren durften, und all den Segen, den du in ihr Leben gelegt hast.«
Dann faltete Magdalena Reginas Hände auf der Bettdecke und drückte ihr einen letzten Kuss auf die Stirn. »Bis zum Wiedersehen in der Ewigkeit!«, flüsterte das Mädchen und verließ den Raum.
Die beiden Totengräber hatten Mühe, in dem hart gefrorenen Boden ein Grab zu schaufeln. Bereits im Morgengrauen fingen die Männer an, mit einem Pickel ein Loch zu hacken, und erst beim Anbrechen der Dunkelheit waren sie mit ihrer Arbeit fertig.
Die Haare klebten ihnen feucht an den Köpfen, als sie auf dem Rehmringer-Gestüt vor Johann standen und ihren Lohn forderten. »Das war Schwerstarbeit«, ächzte der eine und drückte sein schmerzendes Kreuz mit beiden Händen durch.
Johann legte jedem eine zusätzliche Münze in die Hand, und Magdalena bot ihnen zur Stärkung einen Selbstgebrannten an.
»Das beugt einer Erkältung vor«, sagte der Größere der beiden und kippte den Schnaps hinunter.
»Aber auf einem Bein lässt sich so schlecht stehen«, meinte der andere und hielt dem Mädchen den geleerten Becher vor die Nase, den sie erneut füllte.
Zufrieden wankten die beiden Männer am späten Abend nach Hause.
Als die Menschen hinter dem Pferdegespann mit dem Sarg zum Friedhof schritten, schneite es dichte Flocken. Doch kaum standen sie vor dem offenen Grab, wandelte sich der Schnee in dicke Regentropfen, die in Strömen vom Himmel fielen. Während der Pfarrer seinen Text sang, stapften die frierenden und durchnässten Menschen im Takt mit den Füßen auf den Boden. Feuchtigkeit und
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