Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
auf, um in sein Zelt zu gehen. »Komm, mein Junge, lass uns schlafen. Ich werde dich morgen begleiten und will ausgeruht sein, wenn wir zum Bärlauchsuchen losziehen.«
Arne nickte und ging in sein Zelt.
• Kapitel 19 •
Johann blickte sich nach allen Seiten um und sah nichts außer Wiesen, Äckern und Wald. Ich muss mich verfahren haben, schimpfte er im Stillen, denn es war weit und breit keine Ortschaft zu erkennen. Zudem hatten sie seit ihrem Aufbruch am Morgen nicht eine Menschenseele getroffen, die sie nach dem Weg hätten fragen können. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und Johann wusste nicht, wohin. Er sah zu seiner Tochter, die kein Wort mit ihm gewechselt hatte, seit er ihr zu zeigen versucht hatte, wie furchtbar schmerzhaft eine peinliche Befragung war. Magdalena saß stumm da und hielt sich die Hand, während Tränen über ihre Wangen kullerten.
Hätte ich mich doch beherrscht, ärgerte sich Johann. Doch er wusste, dass er es nicht rückgängig machen konnte. Er drehte seinen Kopf zur Seite, um nach Frau und Sohn zu sehen, die auf der Pritsche lagen. Benjamin schlief und schien auf dem Weg der Besserung zu sein. Seine Gesichtsfarbe war rosig und sein Atem gleichmäßig. Franziska hingegen hustete unentwegt und rang nach Luft, wobei leises Pfeifen zu hören war. Ihre Stirn glänzte vom Schweiß des Fiebers, und obwohl sie nicht schlief, hielt sie die Augen geschlossen.
»Was sollen wir nur machen?«, fragte Johann seine Tochter, die wortlos dasaß und ihm die kalte Schulter zeigte.
»Sei nicht stur und schau dich um, sonst …!«, schnauzte er.
»Sonst was? Willst du mir dann auch die andere Hand zerquetschen?«, fauchte sie mit funkelnden Augen.
»Ich wollte sagen, sonst müssen wir im Wald übernachten«, erklärte er seufzend. Magdalena schaute trotzig an ihm vorbei.
Johann atmete tief durch, als ein heftiger Hustenanfall Franziska erneut nach Luft keuchen ließ und Benjamin weckte, der sich verängstigt aufsetzte.
»Sieh nach deiner Mutter«, forderte Johann seine Tochter auf.
Magdalena schaute zwar kurz nach hinten, blieb aber sitzen.
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Johann unbeherrscht, als sich seine Tochter nicht regte.
»Ich kann nicht«, wisperte das Mädchen schließlich und klammerte sich mit bangem Blick an den Sitz.
»Sie ist deine Mutter«, schrie Johann.
Magdalena rührte sich nicht.
Johann zügelte die Pferde und sprang vom Kutschbock. Vor sich hin fluchend lief er um das Fuhrwerk zu Franziska, deren Gesicht vom heftigen Husten feuerrot angelaufen war. Keuchend rang sie nach Luft. Johann half ihr, den Oberkörper aufzurichten, sodass sie durchatmen konnte. Als er den verängstigten Blick seines Sohnes sah, bat er ihn mit sanfter Stimme: »Benjamin, reich mir die Flasche, die neben dir liegt.«
Der Junge griff nach der Flasche, während er flüsterte: »Muss Mutter sterben?«
Erschrocken sah Johann den Jungen an und schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, mein Sohn. Deine Mutter hat eine schwere Erkältung, aber sie wird wieder gesund werden.«
Johann nahm Benjamin die Flasche ab und setzte sie seiner Frau an die Lippen. Während Franziska Wasser trank, strich Johann ihr liebevoll das verschwitzte Haar aus dem Gesicht.
»Danke!«, flüsterte sie heiser und legte sich ermattet zurück. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, schlief sie ein.
»Siehst du, es geht deiner Mutter besser. Versuch, auch wieder einzuschlafen«, sagte Johann und küsste den Scheitel des Sechsjährigen.
Benjamin nickte und streckte sich neben seiner Mutter aus. Seine kleine Hand griff nach der ihren und streichelte sie. Als Johann die Geste sah, glaubte er, etwas würde seinen Brustkorb zuschnüren. Ich muss mich beeilen, damit wir endlich in Hundeshagen ankommen und unser Leben normal wird, dachte er und schwang sich auf den Sitz.
Kaum waren die Pferde angetrabt, blickte er vorwurfsvoll zu seiner Tochter. »Es ist eine Schande! Warum hast du deiner Mutter nicht geholfen?«
Magdalena traute sich kaum, ihren Vater anzublicken. Seit sie wusste, dass ihre Mutter der Hexerei bezichtigt worden war, hatte sie Angst vor ihr. Aber nicht nur vor ihr, sondern auch vor dem Vater. Da das Mädchen ihn in all ihren Lebensjahren nur als liebevollen Menschen kannte, kam der Verdacht in ihr auf, dass ihre Mutter ihn verhext haben könnte. Warum sonst hatte er ihre Hand fast zerquetscht? Ihr Vater war nie zuvor gewalttätig gewesen. Nachdenklich strich sie sich über die Finger,
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