Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
sie noch kein Kind genährt hatten. Auch war ihr Bauch flach, die Hüften rund und ihre Zähne ebenmäßig und vollständig. Sie wusste, dass sie jeden hätte haben können. Aber sie wollte Arne. Warum gelang es ihr nicht, den Mann auf ihr Lager zu ziehen?
»Du bist eine Marketenderin«, flüsterte eine Stimme ihr ans Ohr.
Aus ihren Gedanken aufgescheucht, drehte sich Brigitta um und erblickte ihre Freundin Ingeborg. »Wie meinst du das?«, fragte sie und kräuselte die Stirn.
»Du steigst mit jedem ins Bett, der dich bezahlt. Glaubst du, dass ein Mann wie unser Arne sich in dich verlieben würde?«
Brigitta zupfte an ihren dunklen Haaren und machte einen Schmollmund. »Er soll mich nicht lieben, sondern nur das Bett mit mir teilen.«
Ihre Freundin zog zweifelnd eine Augenbraue in die Höhe, und Brigitta wusste, dass sie ihr nicht glaubte.
Arne fand Erik Gustavsson vor seinem Zelt am Feuer sitzend. Er war umringt von Kindern, die seinen Geschichten über Trolle lauschten, welche angeblich in Schweden lebten. Die meisten Kinder kannten ihre Heimat nur aus Erzählungen, da sie während des langen Kriegs im Reich geboren waren. Gustavsson verstand es, die Kobolde und das Land in bunten Bildern aufleben zu lassen, und die Kinder dankten es ihm mit leuchtenden Augen.
Arne wartete geduldig, bis sein väterlicher Freund zu Ende erzählt hatte und die Kinder in ihre Zelte scheuchte. Lächelnd blickte er ihnen hinterher und setzte sich zu Gustavsson ans Feuer.
»Da du seit dem Vormittag fort gewesen bist, musst du eine große Menge Bärlauch gesammelt haben«, meinte der Alte und zündete sich eine langstielige Pfeife an der Glut an.
Arne schüttelte den Kopf. »Ich muss morgen erneut los und das Kraut suchen.« Er musterte den Freund, dessen dunkles langes Haar im Laufe der Zeit grau geworden war. Arnes Vater hatte Erik Gustavsson schon aus seiner Jugend gekannt. Er muss uralt sein, und doch kann er es mit zwei Angreifern gleichzeitig aufnehmen. Wäre er doch heute an meiner Seite gewesen, dachte Arne und streckte seine Füße zum Feuer aus.
Gustavsson hatte den prüfenden Blick gespürt und schaute den jungen Freund nachdenklich an. »Was ist geschehen?«
Zögerlich erzählte Arne, was er erlebt hatte. Gustavsson hörte zu und sog an seiner Pfeife. Hin und wieder nickte er.
»Diese Ungeheuer gehörten zu keinem Heer. Das war Soldateska«, schloss Arne seinen Bericht.
»Wohin sind sie gezogen?«, fragte Gustavsson mit sorgenvollem Blick. Arne zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber ich hoffe für sie, dass sie um uns einen großen Bogen machen, da ich sonst jeden Einzelnen aufspießen werde.«
»Es ist Krieg. Da passieren die schauerlichsten Dinge.«
»Ich weiß«, stöhnte Arne und verdeckte sein Gesicht mit den Händen. »Aber es ist etwas anderes, ob man sich auf dem Schlachtfeld gegenübersteht oder ob man eine Familie aus einer Laune heraus verbrennt.«
Gustavsson blickte Arne durch den Dunst des Tabakqualms nachdenklich an und sagte: »Verliere nie deine Menschlichkeit, mein Junge!«
Arne nickte.
»Was macht deine Verehrerin?«, versuchte Gustavsson den jungen Freund von seinen trüben Gedanken abzulenken.
Arne rollte mit den Augen.
»Na, na«, lachte Gustavsson verhalten. »So schlimm sieht sie nicht aus. Manch einer wäre überglücklich, wenn er Brigitta unentgeltlich für eine Nacht haben könnte. Da sie jedoch die teuerste Hure im Tross ist, kann nicht jeder sie sich leisten.«
»Du sagst es, Gustavsson. Sie ist eine Hure.«
»Sei ehrlich, junger Freund. Auch du wirst schon die Dienste einer Marketenderin in Anspruch genommen haben.«
Nickend stimmte Arne zu und grinste verhalten. »Wer nicht? Aber bei Brigitta ist es etwas anderes. Ich glaube, sie hegt Gefühle für mich.«
»Wäre das so furchtbar?«, fragte der Freund und sog kräftig an der Pfeife, sodass der Qualm sie einnebelte.
»Ich denke, es gibt Schlimmeres«, antwortete Arne schief lächelnd und fügte hinzu: »Ich will nicht mit einer Marketenderin zusammen sein, die das halbe Heer nackt gesehen hat. Außerdem liebe ich sie nicht. Ich warte, bis der Krieg vorbei ist, und suche mir dann ein Mädchen.«
»Du bist eingebildet, Arne. Brigitta könnte jeden im Tross haben. Ob alt oder jung! Und Liebe? Was bedeutet schon Liebe?«
Arne blickte Gustavsson nachdenklich an und erwiderte: »Liebe ist das einzig Wahre, was bleibt in Zeiten wie diesen.«
»Du bist unverbesserlich!«, rügte der Alte ihn freundlich und stand
Weitere Kostenlose Bücher