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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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hinter euch her wäre?«
    Erneut sahen die beiden Brüder sich an. »Wie gesagt, wir waren unterwegs nach Bleicherode, als wir vom Weg abkamen und uns verirrten. Der Wald wurde immer dichter, und wir wussten nicht, wie wir da jemals wieder herausfinden sollten, als wir vor uns ein Feuer flackern sahen. Beim Näherkommen erkannten wir einen Knaben, der vor einem Kohlefeuer saß und sich ein Stück Fleisch briet. Der Duft des Bratens zog zwischen den Bäumen hindurch, sodass man Hunger bekommen konnte. Wir stiegen von den Pferden und gingen zu dem Jungen, der nicht älter als zehn Jahre gewesen sein mag, um ihn nach dem Weg und einem Bissen Fleisch zu fragen. Der Junge bemerkte uns anscheinend nicht und summte leise eine Kinderweise. Erst als wir vor ihm standen, blickte er zu uns auf, und wir erkannten, dass er wohl schon längere Zeit nichts gegessen hatte. Sein Gesicht war hohlwangig, seine Haut aschfahl, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen.« Der Erzähler schluckte mehrmals und fuhr dann mit leiser Stimme fort: »Der Knabe konnte einem leidtun. Deshalb freute es uns, dass er anscheinend Glück bei der Jagd gehabt hatte. Woher sonst sollte das Fleisch stammen? Doch als wir uns umblickten, konnten wir kein erlegtes Wild sehen, also fragten wir ihn, woher der Braten sei. Daraufhin blickte er uns aus rotgeränderten Augen an und sagte …« Der Mann stockte. Tränen traten in seine Augen, sodass er nach Luft japste und nicht weitersprechen konnte.
    Sein Bruder klopfte ihm auf die Schulter und übernahm: »Der Knabe blickte uns freundlich an und gab uns unbefangen Antwort. Er sagte: ›Das ist ein Stück aus dem Oberschenkel meiner kleinen Schwester, die am Mittag gestorben ist.‹«
    Jodokus’ Augen weiteten sich entsetzt, und auch der kräftige Schmied musste sich an einem Balken abstützen, als er das hörte.
    »Das kann ich mir wahrlich nicht vorstellen«, flüsterte Götz und sagte dann mit fester Stimme: »Der Junge hat sicherlich gelogen.«
    Doch die beiden Fremden schüttelten den Kopf. »Er sprach die Wahrheit. Das tote Mädchen lag mit einer klaffenden Wunde am Oberschenkel nur wenige Schritte von ihm entfernt im Gebüsch. Sie muss kurz zuvor verhungert sein«, sagte der Fremde mit Wehmut in der Stimme.
    Jodokus schloss bei der Vorstellung die Augen. »Dieser verdammte Krieg«, murmelte er und blickte die beiden Brüder mitleidig an. »Ich weiß, dass ausgehungerte Menschen Ungeziefer essen, weil sie sonst nichts haben. Auch habe ich das Gerücht gehört, dass Hungernde sich an Menschenfleisch vergehen, aber dem wollte ich keinen Glauben schenken, da es zu abwegig ist.«
    »Wir haben es mit eigenen Augen gesehen, sodass ihr es nun glauben könnt. Es kommt anscheinend öfter vor, als man denkt. Man erzählt sich sogar, dass auf den Friedhöfen die Anverwandten der Verstorbenen abwechselnd Wache halten, weil selbst die Toten in ihren Gräbern nicht mehr sicher sind.«
    »Hört auf!«, rief der Schmied. »Obwohl ich ein Baum von einem Mann bin, so bin ich doch empfindlich und will das nicht hören. Wie sehr muss ich von meinem Glauben abgefallen sein, um so etwas zu machen?«
    »Die Frage muss anders lauten«, erklärte der ältere der beiden Brüder. »Wie hungrig muss ich sein, dass ich den Oberschenkel meiner Schwester verspeise?«

• Kapitel 28 •
    Magdalena wurde von Frauen und Männern umringt, die, aufgescheucht durch den Lärm, aus ihren Zelten gelaufen kamen und die schreiende Fremde anstarrten.
    »Vad hände här?« , hörte sie jemanden fragen.
    »Ich verstehe euch nicht«, wisperte Magdalena zitternd.
    Arne erschien, fasste ihre Arme und drehte sie zu sich, damit sie ihn ansah. »Sie wollen wissen, was geschehen ist«, übersetzte er mit ruhiger Stimme.
    Magdalena blickte verängstigt in die fremden Gesichter und war unfähig, etwas zu sagen. Sie zeigte zum Zelt, und Arne stürmte hinein. Erik, der seinem Freund gefolgt war, stellte sich breitbeinig vor den Eingang und hielt seine Landsleute davon ab, ihm zu folgen.
    Franziska lag bewegungslos auf dem Lager. Die Augen weit aufgerissen, starrte sie an die Zeltdecke. Besorgt fühlte der Schwede ihre Stirn und stellte erstaunt fest, dass sie nicht mehr heiß war. Obwohl die Frau bei Bewusstsein war, schien sie nicht wahrzunehmen, dass Johann und Magdalena ebenfalls an ihrer Bettstatt standen. Arne wedelte mit den Händen vor ihrem Gesicht hin und her, doch Franziska zeigte keine Regung.
    Johann trat mit sorgenvoller Miene näher an ihr Lager

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