Der Hexenturm: Roman (German Edition)
in Teufels Küche, wenn er hier erwischt wird. Hoffentlich hat ihn keiner gesehen und erkannt.« Unruhig wälzte sie sich hin und her. Doch so wie er aussieht, hätte selbst ich ihn nicht beachtet, beruhigte sie sich. Wie ein Taugenichts kommt er daher! Es wäre für mich am besten, wenn er wieder verschwinden würde. Jetzt, da ich mich auf dem Hof behauptet habe und die Leute mich als die Jungbäuerin achten, brauche ich ihn nicht mehr. Aber wie bekomme ich ihn dazu, dass er mir freiwillig den Hof überlässt? Mit diesem Gedanken schlief Karoline ein und träumte von brennenden Scheiterhaufen.
Als Bonner am nächsten Morgen erwachte, wusste er im ersten Augenblick nicht, wo er sich befand. Als schließlich die Erinnerung an den vergangenen Abend zurückkehrte, dachte er bitter: Es war kein Traum! Ich liege tatsächlich in meinem Haus versteckt auf dem Dachboden. Der Großbauer hörte Stimmen auf dem Hof und robbte auf allen vieren zu der kleinen Dachöffnung, um hinunterzulinsen. Vor den Stallungen standen seine Tochter und ein Knecht zusammen, lachten und spaßten. Als der Knecht es wagte, Karoline seine Hand vertrauensselig auf den Arm zu legen, musste Bonner an sich halten, um nicht nach unten zu laufen und diesen Tunichtgut zur Rede zu stellen.
»Wie kann sie sich nur mit dem Gesinde einlassen?«, schimpfte er leise. »Sie ist die Bäuerin und außerdem noch viel zu jung für eine Liebschaft.«
Verstohlen blickte Karoline nach oben und erkannte ihren Vater in der Luke. Rasch verabschiedete sie sich von dem Knecht und eilte ins Haus. »Das fehlt mir noch, dass der Alte sich einmischt!«, murmelte sie und ging in die Küche.
Zum Glück war die alte Berta mit dem Anzünden des Ofens beschäftigt, so dass sie nicht mitbekam, wie sich Karoline die Rocktaschen voller Kirschen steckte sowie Brot, ein Stück Feldkieker und einen Krug Milch mit nach draußen nahm. Geräuschlos eilte sie die Treppe nach oben, legte das Essen auf dem Fußboden ab, stellte den Krug daneben und lehnte die Leiter an die Luke zum Dachboden. Zuerst reichte sie ihrem Vater die Milch nach oben, dann das Essen. Danach kletterte sie selbst auf den Boden hinauf und legte die Kirschen auf einen alten Melkschemel, der zwischen anderen Möbelstücken stand. Kaum hatte sie sich ihrem Vater zugewandt, verpasste der ihr eine Ohrfeige.
»Bist wohl eine Dirne geworden, als ich weg war?«, schrie er mit rauer Stimme. »Ein Luder, das sich dem Gesinde an den Hals wirft!«
Karoline hielt sich die brennende Wange und blickte ihn zornig an. Vor etlichen Monaten hätte sie beschämt den Blick gesenkt, sich beim Vater entschuldigt und Besserung gelobt. Vor etlichen Monaten jedoch wäre sie gar nicht erst in diese Lage gekommen, an der ihr Vater allein die Schuld trug.
Karoline nahm die Hand von der Wange, stellte sich kerzengerade hin und presste mit verhaltener Stimme hervor: »Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, was dir das Recht gibt, mir dergleichen vorzuwerfen. Ich bin fünfzehn Jahre alt, Vater, und muss schauen, wie ich ohne meine Familie ein Gehöft unterhalte, das das größte der Umgebung ist. Wenn ich durch Nettigkeiten meinen Willen bekomme, heißt das noch lange nicht, dass ich einem Mann in mein Bett Einlass gewähre. Ich habe nicht darum gebeten, dass du mich allein lässt. Du hast dir dein Schicksal selbst ausgesucht! Mich hast du nicht gefragt, ob ich dieses Los möchte. Also beschwere dich nicht und vor allem bemitleide dich nicht selbst. Das geziemt sich nicht für einen Bonner!« Erhobenen Hauptes wollte Karoline die Leiter wieder hinuntersteigen, doch ihr Vater hielt sie am Handgelenk fest. »Es tut mir leid, Karolinchen!«, sagte er traurig. »Sei nicht böse mit deinem alten Vater. Glaube mir, mein Kind, wenn ich wüsste, wie wir aus dieser Lage herauskämen, ich würde alles dafür tun.«
Karoline wurde hellhörig und wandte sich ihrem Vater zu. Zum Glück schmerzte ihre Wange noch, so dass sie mühelos in Tränen ausbrechen konnte: »Ach Vater!«, schluchzte sie und umarmte ihn. »Auch ich grübele seit gestern ununterbrochen darüber nach, wie es wieder wie früher werden könnte. Und an allem sind nur Johann und diese Magd schuld! Sicherlich führen sie irgendwo ein glückliches Leben, während du dich auf deinem eignen Hof nicht zu erkennen geben darfst. Wenn wir doch nur wüssten, wo die beiden abgeblieben sind.« Dicke Tränen kullerten ihr die Wange hinunter, als sie zu ihrem Vater aufblickte. Überglücklich,
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