Der Hexenturm: Roman (German Edition)
schmerzte wie seine rechte Hand, durch die der Führstrick des Kutschpferdes rutschte, da der Gaul sich ständig gegen den Befehl des Reiters wehrte und den Kopf hochriss.
»Ich kann es dir nicht sagen!«, fauchte Clemens. Auch er mühte sich mit seinem Begleitpferd ab, das er hinter sich herzog und das sich immer wieder aufbäumte. »Wenn die Zossen weiterhin so störrisch sind, werden wir ewig brauchen.«
»Wie lange werden wir in Saarbrücken bleiben müssen?«
»Herrgott, Burghard! Wir sind erst seit heute Morgen unterwegs, und du jammerst in einem fort. Du wirst noch rasch genug zu Katharina zurückkehren können!«
Burghard schwieg. Er schämte sich, weil nicht Katharina der Grund war, warum es ihn zurück nach Wellingen zog. Er wollte vielmehr so schnell wie möglich an den Abschriften weiterarbeiten.
Clemens blickte Burghard von der Seite an. Der junge Mönch spürte, dass er ihm etwas sagen wollte. Nach einer Weile ergriff Clemens dann auch das Wort: »Ich gestehe, dass ich wütend auf dich war, weil du mir Katharina ausgespannt hast. Aber mein Zorn ist verflogen, und ich habe mich damit abgefunden, weil ich erkennen musste, dass sie dich liebt und mich niemals mit diesen Blicken ansehen würde, wie sie dich anschaut. Solltest du ihr aber je Leid zufügen, Burghard, dann bekommst du es mit mir zu tun!«
Clemens drehte sich im Sattel zu Burghard um und machte ein finsteres Gesicht. Doch dann lächelte er. »Sind wir wieder Freunde?«, wollte er wissen und streckte Burghard die Hand entgegen. Auch Burghard lächelte, obwohl ihm nicht danach zumute war, und gab Clemens die Hand.
Die beiden jungen Männer erreichten am späten Nachmittag die Saar, die die Städte St. Johann und Saarbrücken voneinander trennte. An der Brücke auf der rechten Flussseite bei St. Johann verweilten sie und blickten hinüber auf das andere Saarufer, wo auf einer Anhöhe das prächtige Schloss des Grafen Ludwig II. gelegen war. Das Licht der Nachmittagssonne strahlte das Gebäude an, das von einer hohen Mauer umschlossen wurde.
»Ich habe noch nie ein solch schönes Gebäude gesehen«, staunte Burghard. »Alle Einwohner von Wellingen, Schwalbach und aus den umliegenden Dörfern zusammen könnten dort leben. Doch nur der Graf und sein Gefolge wohnen hier. Welche Verschwendung!«
In dem zur Saar gelegenen Mauerabschnitt konnte man in einigen Fuß Entfernung zueinander zwei halbrunde Türme erkennen. Clemens zeigte auf sie und erklärte Burghard: »Siehst du die kleinen Öffnungen in den Türmen? Das sind Schießscharten. Nach außen werden sie weit, so dass man von innen ein breites Sichtfeld hat, um besser auf den Feind zielen zu können. Nach innen aber verengen sie sich, was verhindert, dass die Angreifer hindurchschießen können.«
»Außer sie benutzen eine Kanonenkugel«, fügte Burghard lachend hinzu.
Langsam schritten die beiden Männer auf ihren Pferden über die Brücke, auf der reges Treiben herrschte. Nur mit Mühe konnten sie die Rösser durch die Menschenmenge führen. Zahlreiche Marktweiber kamen den beiden Freunden lächelnd entgegen.
»So viele hübsche Frauen!«, freute sich Clemens und grüßte höflich. Kichernd senkten die Frauen den Blick. Sie trugen Körbe gefüllt mit Gemüse, Obst oder Gewürzen. Ein mit Holzstämmen beladenes Fuhrwerk ratterte über das Kopfsteinpflaster und drängte die Fußgänger zur Seite. Ein junger Bursche schob hurtig eine Schubkarre mit kleinen Holzverschlägen in Richtung St. Johann, in denen laut die Hühner gackerten. Ein einbeiniger Bettler lehnte am Brückengeländer und bettelte um Almosen.
Als Clemens und Burghard die Brücke überquert und Saarbrücken erreicht hatten, blickten sie ehrfürchtig die Burgmauer empor. Sie ritten langsam längs der Mauer und kamen zu einem Torbogen, der zur Stadtseite gelegen war. Er kennzeichnete einen breiten Zugang zum Schloss über den Burggraben, der die Festung von der Stadt trennte. Wenige Schritte hinter dem Tor standen rechts und links des Weges Wachhäuser.
Zwei ernst dreinblickende Waffenträger in schicken Uniformen stellten sich Clemens und Burghard in den Weg.
»Welches Begehr?«, fragte einer und stellte seine Lanze gut sichtbar vor sich.
»Wir kommen aus Wellingen vom Gestüt Rehmringer und bringen dem Grafen zwei neue Kutschpferde.«
Mit sorgsamen Blicken umrundete der andere Soldat die Pferde und tat, als ob er nach etwas suchen würde. Nach einer Weile gab er seinem Kameraden ein Zeichen, worauf der
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