Der Hexenturm: Roman (German Edition)
bevorstand.
Burghard hatte die Nacht über kaum geschlafen. Seine Gedanken und Selbstvorwürfe hatten ihn wach gehalten. »Will Gott mich strafen, weil ich an meiner Liebe zu Katharina gezweifelt und mich mehr um die Abschriften als um sie gekümmert habe?«, fragte er sich. »Aber Gott selbst weiß, von welcher Bedeutung es war, dass ich den Jesuiten geholfen habe!«
Obwohl es Ende Juli war, fror Burghard und zog die Decke höher. Als er sah, wie der Morgen graute, stand er auf und zog sich an. »Ich werde in der Kirche für Katharina beten!«, murmelte er und verließ die Kammer.
Draußen war es kühl, und es nieselte. Eisiger Wind gab Burghard das Gefühl, als hielte der Winter Einzug. Rasch lief er die Treppenstufen zur Kirche empor und flüchtete sich ins Innere. Auch hier war es bitterkalt. Frierend rieb er sich über den feuchten Stoff seines Kittels.
Burghard bekreuzigte sich und ging in die erste Reihe vor den Altar. Dort kniete er nieder und hielt in Gedanken Zwiesprache mit G ott, als ihm jemand sanft auf die Schulter klopfte. Er zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um. Pfarrer Schnetter stand hinter ihm und blickte ihn fragend an. »Entschuldigt, Herr Pfarrer«, flüsterte Burghard und stand auf. »Ich weiß, es ist sehr früh, um zu beten.«
Schnetter lächelte. »Es ist nie zu früh oder zu spät für ein Gebet.« Schnetter setzte sich und bedeutete Burghard, neben ihm Platz zu nehmen.
So saßen sie eine Weile stumm nebeneinander, bis Burghard all seinen Mut zusammennahm und dem Geistlichen erzählte, was auf seiner Seele lastete. Er sprach von seinen Selbstvorwürfen, von seinen Ängsten und Zweifeln. Schnetter hörte aufmerksam zu und versuchte Burghard mit dem Gleichnis von den verschiedenen Wegen, die Gott für die Menschen bereithielt, zu trösten.
»Und welchen Weg hat Gott für Katharina auserkoren?«, fragte Burghard bitter. »Hält er für sie den Feuerweg bereit?« Schnetter blickte Burghard an. »Was glaubst du?«
Der junge Mann überlegte und schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Gott ist gerecht und wird ihr helfen – ich werde ihr helfen! Sie ist keine Hexe und hat nichts getan, weswegen sie angeklagt werden könnte.«
Entschlossen sprang Burghard auf. »Ich werde nach Püttlingen reiten und versuchen sie zu sehen!« Eilig verließ er die Kirche und trat in den Regen hinaus, der nun heftig vom Himmel prasselte.
Kapitel 36
Nachdem Matthias Heixel sich bereit erklärt hatte, Bonner bei der Suche nach seinem Sohn und der Magd zu helfen, folgten sie den üblichen Handelsstraßen quer durchs Land. Jeden Zollbeamten, der an einem Schlagbaum seinen Dienst verrichtete, horchten sie aus. Während Heixel mit den Männern sprach, musste Bonner in einigen Pferdelängen Abstand warten, da sein ungeduldiges und aufbrausendes Wesen bei den Befragungen meist wenig förderlich war. Niemand jedoch hatte die Flüchtigen gesehen. Sie schienen wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
Heixel und Bonner waren schon viele Tage unterwegs, als der Bauer sich zunehmend zu ärgern begann, den Spurensucher mitgenommen zu haben.
»Und ich muss dem Deppen noch Geld dafür zahlen, dass er sie auch nicht finden kann«, grollte Bonner. Missmutig schielte er zu Heixel hinüber und höhnte in Gedanken: Der angeblich beste Spurenleser weit und breit. Dass ich nicht lache!
Als Bonner sah, wie Heixel die Hände faltete und stumm betete, keimte tiefe Abneigung in ihm auf. Dass er verrückt ist, hätte ich ahnen müssen, schimpfte Bonner mit sich selbst. Heixel hatte eine besondere Angewohnheit, die für Bonner nur schwer zu ertragen war. Der Spurenleser betete unablässig. Jede Kirche, an der sie vorbeikamen oder in der Ferne erblickten, musste er besuchen. Heixel war es einerlei, dass die Zeit drängte. Auch Bonners Spott hielt ihn nicht davon ab. Unbekümmert marschierte er in jedes Gotteshaus und betete dort mit einer Seelenruhe, die Bonner zur Weißglut trieb.
Zunächst hatte Bonner Heixels Angewohnheit nur belächelt und gehofft, dass mit göttlichem Segen seine Suche unter einem guten Stern stehen würde. Mittlerweile aber war ihm die Gottesfürchtigkeit seines Begleiters unerträglich.
Als Heixel sich erneut bekreuzigte, konnte Bonner es sich nicht länger verkneifen und fragte: »Wie viele Sünden hast du auf dich geladen, dass du ständig beten musst?«
»Ich habe mich schon gefragt, wann du mich darauf ansprechen würdest«, antwortete Heixel.
»Einen Grund wird es für
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