Der Hexenturm: Roman (German Edition)
In der Stube des Pfarrers setzten sie sich an den Tisch. Während Schnetter Selbstgebrannten einschenkte, starrten die anderen fassungslos zu Boden. Burghards Atem ging noch immer schwer.
»Bevor du wie ein Kampfhahn hier aufgetaucht bist«, rügte Regina Rehmringer Burghard schließlich, »haben wir darüber nachgedacht, wie wir Katharina helfen können. Wir sind jedoch zu keiner Lösung gekommen.«
»Sie ist keine Hexe!«, stammelte Burghard.
»Bist du dir sicher?«, fragte der Pfarrer.
Burghard sprang auf. Doch dann besann er sich eines Besseren und setzte sich wieder.
»Ihr wisst, Frau Rehmringer, dass Katharina eine reine Seele hat. Sie will Gutes tun und niemandem Schaden zufügen. Ihr selbst verdankt Katharina, dass Ihr wieder auf die Beine gekommen seid und Euch wohl fühlt! Erinnert Euch, wie Ihr in Eurer Stube gelegen habt, von allen allein gelassen.«
Regina Rehmringer stöhnte leise auf und nickte.
»Paul lügt! Er behauptet etwas, für das es keinerlei Beweise gibt. Nur weil sie ihn verschmäht hat, sitzt sie nun im Hexenturm. Wir wissen alle, wie schnell man der Hexerei bezichtigt werden kann. Johann«, bettelte er, »bitte erzähl ihnen davon, wie Franziska als Hexe angeklagt werden sollte, weil dein Vater eure Liebe verhindern wollte.«
Johann nickte. »Das ist wahr, Burghard, aber davon habe ich Frau Rehmringer und Pfarrer Schnetter bereits berichtet. Im Augenblick können wir nichts für Katharina tun. Wir müssen warten, bis sie angeklagt wird.«
Entmutigt ließ Burghard den Kopf sinken. Auf dem Weg zurück zum Gestüt blickte er an diesem Abend fortwährend zum Himmel empor und betete inbrünstig, dass sich alles zum Guten wenden würde.
Kapitel 35
Der Himmel war mit dunklen Wolken verhangen, als das Fuhrwerk am späten Mittag auf dem Burgplatz von Püttlingen anhielt. Kaum stand der Karren still, wurde Katharina von einem der Häscher brutal von der Ladefläche gestoßen. Die junge Frau fiel zu Boden und schlug sich dabei die Knie auf. Blut tropfte aus den Schürfwunden, doch sie achtete nicht weiter darauf.
Katharina kauerte wie betäubt auf dem staubigen Boden und sah sich um. Mehrere Häuser säumten den ihr unbekannten Platz. Der Mann mit Namen Thomas Königsdorfer zügelte neben ihr sein Pferd und befahl einem der Schergen mit eisiger Stimme: »Sperr das Weib in den Hexenturm!« Er bedachte Katharina mit einem kurzen durchdringenden Blick und ritt dann zu einem der Gebäude.
Der Häscher packte Katharina grob am Handgelenk, riss sie hoch und stieß sie vorwärts. Hilflos stolperte Katharina nach vorn, als sie einen Turm erblickte, aus dessen Fenster ein Soldat ihr entgegengriente.
»Frischfleisch!«, hörte Katharina ihn rufen. Aus dem Inneren der Wachstube drang Gejohle nach draußen. Als der Soldat ihres furchtsamen Blicks gewahr wurde, lachte er böse auf, so dass sie seine verfaulten Zähne erkennen konnte.
Seitlich am Turm öffnete der Scherge mit einem großen Schlüssel eine schwere Eisentür, die quietschend aufsprang. Kalte abgestandene Luft schlug ihnen entgegen. Das karge Sonnenlicht, das sich an dem breiten Rücken des Mannes brach, erhellte die ersten Stufen einer steilen Steintreppe, die jedoch nicht nach oben, sondern nach unten führte. Der Rest lag in vollkommener Dunkelheit.
Voller Angst blickte Katharina den Schergen an und bettelte um Gnade. Doch der versetzte ihr erneut einen Stoß. »Vorwärts! «, herrschte er sie an. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
Katharina blieb keine Wahl. Vorsichtig stieg sie die Steinstufen nach unten, wo ihr eisige Kälte entgegenschlug.
Am Fuße der Treppe befand sich eine massive Gittertür, die der Mann ebenfalls mit einem großen Schlüssel öffnete. Wieder gab er Katharina einen Stoß. Wimmernd taumelte sie in ein dunkles Loch, in dem es erbärmlich stank und in dem Totenstille herrschte.
Wortlos schloss der Scherge hinter ihr die Tür. Flehend drehte sich Katharina zu ihm um und sah, wie er mit gleichgültiger Miene den Schlüssel im Schloss drehte. Eilig stieg er dann dem Licht entgegen zurück nach oben.
Als Katharina in der Dunkelheit plötzlich allein war, erwachte sie aus ihrer Erstarrung und rüttelte voller Angst an der Eisentür. Sie schrie, so laut sie konnte.
»Das nützt nichts!«, krächzte eine Stimme aus der Düsternis. »Die können dich da oben nicht hören!«
Katharina erschrak zu Tode. Sie hatte nicht bemerkt, dass sich außer ihr noch jemand in der Zelle befand. Als sie hörte, wie sich
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