Der Hexenturm: Roman (German Edition)
helfen«, versuchte Clemens den Müller freudig zu stimmen.
»Was wollt ihr mir helfen? Mir wächst zwar die Arbeit über den Kopf, aber ich kann euch nicht bezahlen. Selbst für uns reicht es kaum!«, schimpfte er ungehalten und schlürfte den dünnen Brei.
»Wir möchten euch nur danken, weil ihr uns gestern nicht fortschickt habt!«, erklärte Johann dem Müller, der griesgrämig brummte und über den Kochtopfrand seine Frau anblickte.
»Saures Wasser muss abgefüllt und zum Jagdschloss gebracht werden«, murmelte er.
»Saures Wasser?«, fragte Johann.
Der Müller nickte. »Ich werde euch die Quelle zeigen.« Er leckte sich den Gerstenbrei von den Fingern und streckte Johann die Hand entgegen. »Ich heiße Hans Kempfer!«
Der Wind hatte in der Nacht die dunklen Wolken verjagt. Katharina stand mit geschlossenen Augen vor der Mühle und hatte das Gesicht der Herbstsonne zugewandt. Sie seufzte. Hoffentlich bleibt das Wetter so, wünschte sie sich. Plötzlich hörte sie leise Schritte. Katharina öffnete die Augen und blickte sich um. Der kleine Achim stand hinter ihr. Unter Tränen nahm er den Trog auf, in dem sich einige Frösche befanden. Schluchzend blickte er zurück zu seiner Mutter.
»Wenn ich verspreche, nie mehr das Wetter vorherzusagen, darf ich sie dann behalten?« Katharina konnte erkennen, dass seine Mutter sich ein Lachen verkneifen musste und versuchte ein ernstes Gesicht zu machen. Stumm schüttelte die Müllerin den Kopf.
»Auch nicht nur zum Spielen?«, wollte er wissen.
»Achim, du weißt, dass dein Vater böse wird, wenn du dich seinen Befehlen widersetzt. Setz sie am Bach aus, aber nicht hier am Mühlenteich, sondern weiter weg im Kallenbornbach.«
Katharina tat der Junge leid, wie er unglücklich mit heruntergezogenen Mundwinkeln dastand. Seine Haare standen wie bei einem Igel in alle Richtungen, und an seiner Wange klebte Gerstenbrei.
»Darf ich mit dir gehen?«, fragte Katharina. Erstaunt schaute der Junge auf und nickte. Seine Mutter lächelte die junge Frau dankbar an und ging zurück ins Backhaus.
Als der Müller mit Clemens und Johann um die Ecke bog, bedachte er den Jungen mit einem grimmigen Blick und ging weiter. Um Achim abzulenken, fragte Katharina: »Kennst du ein Plätzchen, wo wir deine Freunde aussetzen können? Ist hier in der Nähe ein hübscher Tümpel, wo du sie besuchen kannst?«
Achim schien zu überlegen. »Weiter unten am Kallenborn ist ein verfallenes Holzhaus mit einem Tümpel, der ist nicht so tief.«
»Das hört sich gut an. Lass uns dorthin gehen.«
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Unschuldig fragte Katharina unterwegs: »Wer hat dir eigentlich erzählt, dass die Frösche das Wetter vorhersagen können?«
Das Gesicht des Jungen hellte sich auf. »Barnabas hat es mir erzählt.«
Vielleicht weiß der Junge, wohin die beiden Gesellen gewandert sind, hoffte sie in Gedanken und fragte deshalb weiter: »Wer ist Barnabas?«
»Mein Freund!«
»Und wo ist dein Freund jetzt?«
Achim zuckte mit den Schultern. »Er sagte, dass er weiterziehen muss, denn er ist ein Heiler und muss den Menschen helfen.«
»Dann scheint er ein netter Freund zu sein.«
Achim nickte eifrig. »Nur der, der mit ihm geht, der ist nicht nett. Er heißt Servatius. Ich glaube, dass er böse ist.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er hat mit Barnabas geschimpft, weil er nicht weiterziehen wollte.« Flüsternd fügte Achim hinzu: »Er hat mir immer auf den Kopf gehauen, wenn er mich gesehen hat.«
»Warum? Warst du frech zu ihm?«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Nein! Ich glaube, er war wütend, weil Barnabas mit mir gespielt hat.«
»Schade, dass du nicht weißt, wohin sie gegangen sind. Ich möchte Servatius nämlich nicht begegnen, wenn er so unfreundlich ist.«
Achim schien zu überlegen. »Barnabas wollte in eine große Stadt gehen, aber wie die heißt, weiß ich nicht.« Mit seinen braunen Kinderaugen sah er Katharina unschuldig an. Die junge Frau fuhr ihm liebevoll übers Haar. »Du bist ein netter Junge, Achim.« Verlegen lächelte der Kleine.
Kapitel 6
Frankfurt am Main, Oktober 1617
Servatius drehte sich wie ein Kind im Kreis und sah voller Staunen um sich. Die prunkvollen mehrstöckigen Häuserzeilen erschienen ihm, als ragten sie bis in den Himmel. »In solch einer großen Stadt bin ich noch nie zuvor gewesen«, flüsterte er Barnabas zu, der neben ihm stand. Menschen hetzten an ihnen vorbei, und sie schienen alle in dieselbe Richtung zu laufen. Manche
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