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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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und erfreute sich an dessen Verzweiflung. Servatius wartete ebenso wie die anderen Gaffer stumm, was weiter geschehen würde.
     
    Kerstens’ Augen waren weit aufgerissen. Wie von Sinnen drehte er seinen Kopf von rechts nach links und schien jeden Handgriff der Henkershelfer zu verfolgen. Nachdem er ausgestreckt und breitbeinig festgebunden war, wurden kleine Holzkeile unter seine Gelenke geschoben. Dann rollte der Scharfrichter das beschlagene Wagenrad neben ihn. Kerstens konnte eine glänzende Messerschneide erkennen, die das gesamte Rad umgab. Schweiß tropfte von seinem Gesicht auf die Holzplanken. Der Henker hob mühelos das schwere Rad an und ließ es auf Kerstens Ellenbogen hinabsausen. Das Brechen der Knochen übertönte die Stille der Menschen auf dem Platz, ebenso den Schrei des Folteropfers. Erst als die Seile sich spannten, weil Kerstens sich vor Schmerzen aufbäumte, jubelte die Menge. Etliche Male wiederholte der Henker die schrecklichen Radstöße. Blut spritzte auf, als sich die Knochen durch das Fleisch und die Haut nach außen bohrten.
    Dann hatte Kerstens keine Kraft mehr zu schreien, und schließlich erlöste ihn eine Ohnmacht.
    Servatius’ eigenes Blut klebte an seinen Mundwinkeln. Seine Fingerkuppen, in die er vor Erregung gebissen hatte, brannten wie Feuer. Doch das verschaffte ihm nur noch mehr Lust. Er war froh, dass der weite braune Habit die Anzeichen seiner Erregung verdeckte. Seine Anspannung wurde noch größer, als Kerstens zu Bewusstsein kam und sein Blick wirr umherwanderte. Der Mönch kicherte wie ein Wahnsinniger, als die Henkersgesellen versuchten die gebrochenen Arme und Beine des Gequälten zwischen die Speichen eines größeren Rads zu flechten. Erneut bäumte sich Kerstens auf, was Servatius und die Meute jubeln ließ. Voller Wonne biss er sich in seine Faust, bis er Blut schmeckte. Als der Scharfrichter sein mächtiges Schwert hob und Kerstens mit einem Schlag von seinen Qualen erlöste, löste sich auch Servatius’ Erregung. Keuchend glitt er von dem Holzklotz und ging in die Knie. Niemand hatte ihn beobachtet, denn die Blicke der Zuschauer waren gebannt auf das Foltergeschehen gerichtet gewesen. Erst als man das Rad mit der kopflosen Leiche auf einen spitzen Pfahl gesteckt und im Boden verankert hatte, war das Spektakel beendet. Der Tote würde so lange auf dem Marktplatz bleiben, bis Krähen die Knochen blank gepickt hätten. Seinen Kopf würde man auf eine Lanze gespießt ebenfalls zur Schau stellen.
    Zufrieden ging nun die Menschenmeute ihres Weges.
    Auch Servatius richtete sich auf, strich seinen Habit glatt und kehrte zurück zu Barnabas.

Kapitel 7
     
    Franziska füllte seit den frühen Morgenstunden Mehl in Säcke ab. Es war heiß und stickig in der Mehlkammer, und in der Luft schwirrte weißer Staub, der sich auf ihre feuchte Haut legte und sich in Mund und Nase festsetzte. Immer wieder musste Franziska husten und spucken. Ihre Kehle schien wie ausgedörrt. Das Wasser, das sie trank, um ihren großen Durst zu stillen, verwandelte den Mehlstaub in ihrem Mund zu einem klebrigen Schleim. Sehnsüchtig wünschte sie sich den Abend herbei.
    Am späten Nachmittag war der letzte Sack gefüllt. Franziska wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn, die unter ihrem Kopftuch hervorlugte und auf ihrer feuchten Haut haften geblieben war. Müde schloss sie die Tür zur Mehlkammer und trat hinaus vor die Mühle.
    Die Herbstsonne blendete die junge Frau, so dass sie für einen Moment die Augen schloss. Ein angenehmer Lufthauch kühlte ihr erhitztes Gesicht. Franziska klopfte sich mit beiden Händen das Mehl von der Kleidung und seufzte leise: »Jetzt einen Schluck saures Wasser!« Der Gedanke daran belebte sie. Franziska überquerte den Steg hinter der Mühle, der über den Kallenborn führte. Auf der anderen Seite des Baches schlug sie rechts den Weg zur Cödinger Quelle ein, auch in der Hoffnung, Johann dort anzutreffen. Als sie zu dem Rinnsal kam, das an nur einer Stelle aus der Erde trat, war niemand zu sehen. Enttäuscht ergriff sie den Becher, der auf einem der Steine neben der Quelle stand, und füllte ihn. Gierig trank sie das Wasser, das leicht säuerlich schmeckte. Mehrfach musste sie aufstoßen. Als sich ein lauter Rülpser löste, schlug sie erschrocken die Hand vor den Mund und lachte auf.
    »Da scheint jemand gut gelaunt zu sein!«, sagte eine Stimme hinter ihr. Noch immer lachend wandte sich Franziska zu Johann um. »Ich habe gehofft, dich hier zu treffen«,

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