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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Die Frau rief ihm hinterher: »Im Rathaus wirst du sie nicht finden, Casper Bonner. Sie sind bei Albrecht zu Hause.«
    »Bei Albrecht? Mitten am Tag?«
    Der Blick aus den grauen Augen der Alten verunsicherte den Bauern. Als sich ihre Mundwinkel spöttisch verzogen, wollte Bonner losschimpfen, doch sie schloss mit einem Knall die Eingangstür und ließ ihn wie einen kleinen Jungen auf der Straße stehen. Als Bonner das schadenfrohe Lachen der Frau hinter der Tür hörte, eilte er wütend mit großen Schritten zurück. Erneut wollte er gegen die Tür hämmern, als in dem Haus nebenan ein Fenster geöffnet wurde und jemand neugierig seinen Kopf herausstreckte. Hastig ging Bonner weiter.

     
    Albrecht Harßdörfer empfing den Neffen seiner Frau in seinem Arbeitszimmer. Sein Weib zeigte sich über den unerwarteten Besuch erfreut und wollte sich zu ihnen gesellen, doch Harßdörfer schickte sie schroff hinaus. Beleidigt reckte die Frau das Kinn und verließ mit wehendem Rock die Stube. Als hinter ihr die Tür laut ins Schloss fiel, zuckte Josef zusammen. Nervös rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und wagte kaum aufzublicken.
    Der Mann seiner Tante hatte ihm von jeher Furcht eingeflößt, und obwohl Harßdörfer nicht sein Onkel war, sollte Josef ihn Oheim nennen.
    Die mächtige Gestalt des Bürgermeisters saß hinter einem ebenso wuchtigen Schreibtisch und starrte den Burschen stumm an. Josef fühlte sich unter dem strengen Blick sichtbar unwohl. Als Harßdörfer noch immer schwieg, wagte er leise zu fragen: »Warum wolltet Ihr mich sprechen, Oheim?«
    Der Bürgermeister erwachte aus seiner Erstarrung. Er atmete laut ein und sagte schließlich mit ernster Miene: »Ich habe einen Auftrag für dich.«
    Josef blickte auf. »Einen Auftrag?«, fragte er zweifelnd.
    »Du kannst lesen und schreiben?«
    Josef nickte.
    »Gut. So wirst du für mich als Schreiber arbeiten.«
    »Als Schreiber?« Ungläubig schaute Josef auf. »Warum nehmt Ihr nicht einen Schreiber aus dem Rathaus? Ich habe keine Erfahrung.«
    »Ich benötige jemanden, dem ich vertrauen kann.«
    Josefs Haltung entspannte sich, als er diese Worte hörte. Mutig stellte er eine weitere Frage: »Wo soll ich als Schreiber arbeiten, Oheim?«
    »Das wirst du sehen. Sobald es so weit ist, werde ich dich benachrichtigen. Aber höre mir zu, Josef! Niemand darf auch nur ein Sterbenswörtchen davon erfahren. Hast du gehört? Du darfst keinem Menschen erzählen, wohin du gehen wirst, oder was du für mich geschrieben hast, oder um wen es dabei geht!« Harßdörfers Blick klebte an dem Gesicht des Jungen. Josef getraute sich kaum zu atmen und konnte nur stumm nicken.
    »Gut so, mein Junge! Gut so! Und nun gehe nach Hause und warte dort, bis ich dich rufen werde.«
    »Wann wird das sein, Oheim?«
    »Schon bald, mein Junge, schon bald!«

     
    Als Josef das Haus des Bürgermeisters verließ, kam Bonner um die Ecke gestapft. Schlecht gelaunt musterte er den blonden Burschen und fragte: »Bist du Josef, der Bierausrufer?«
    »Wer will das wissen?«, antwortete Josef mit einer Gegenfrage und stemmte die Hände in die Hüften. Allein der Gedanke, dass er der Schreiber seines Oheims werden würde, schien ihm Selbstsicherheit zu geben.
    Bonner hasste es, wenn Burschen, die noch grün hinter den Ohren waren, den Ton angeben wollten. Um dem Jungen zu zeigen, was er von dessen Auftreten hielt, stellte sich Bonner breitbeinig vor ihn, stemmte ebenfalls die Hände in die Seite und holte tief Luft, so dass sein mächtiger Bauch sich nach vorn wölbte. Hinter seiner ausladenden Gestalt hätte der Bursche sich zweimal verstecken können. Mit tiefer Stimme sagte der Bauer: »Der Bürgermeister von Duderstadt erzählte mir, dass du die Hexe auf dem Hülfensberg erkannt haben willst. Ist das so?«
    Bevor Josef antworten konnte, stürmte Harßdörfer aus dem Haus. Als der Bursche seinen Oheim sah, ließ er die Hände sinken und blickte zu Boden.
    Der Bursche macht sich in die Hose, nur weil der Alte hinter ihm steht, höhnte der Bauer in Gedanken.
    »Was willst du von meinem Neffen, Casper?«, fragte der Bürgermeister erregt und versuchte sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen.
    »Geht es dir nicht gut, Albrecht? Du schnaufst wie ein altes Weib!« Bonner beäugte den Mann kritisch. Irgendwas stimmt hier nicht, dachte er und ließ seinen Blick zwischen dem Bürgermeister und dem Burschen hin und her wandern. Harßdörfer brauste auf: »Was erlaubst du dir, Bauer? Kümmere dich lieber

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