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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Nasenrücken oder Stirn haben, da diese Blessen meist verschieden groß und unterschiedlich geformt sind.«
    »Zwei unserer Ackergäule hatten diese weißen Zeichnungen, die sich von der Stirn bis über den Nasenrücken zu den Nüstern zogen. Die Pferde sahen wie Zwillinge aus, so dass man nie wusste, wer Peter und wer Paul war«, wandte Johann ein.
    »Ja, das kann vorkommen«, stimmte Clemens zu. »Doch als ich die Stuten im Stall sah, hatte ich sofort das Gefühl, dass sie aus dem Gestüt meiner Eltern stammen mussten. Deshalb habe ich nach ihren Brandzeichen gesehen, und dabei hat mich der Graf entdeckt.«
    »Brandzeichen?«, fragte Katharina erschrocken.
    »Jedes Fohlen bekommt unser Zeichen eingebrannt. Es hat die Form einer Tanne mit einem A für Arnold in der Mitte. Als ich das entdeckte, wusste ich mit Sicherheit, dass es Arnoldsche Pferde sind.«
    »Was hat der Graf gesagt, dass du unerlaubt in seinen Stall geschlichen bist?«, fragte Burghard.
    Clemens kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Die Stalljungen sollten mich aus dem Stall werfen, doch bevor sie mich greifen konnten, rief ich dem Grafen zu, dass ich das Gestüt kenne, wo die Stuten geboren wurden. Er hatte den Stall bereits verlassen. Doch als er das hörte, kam er zurück.«
    »Du hast dem Grafen verraten, wer du bist?«, wollte Johann ungläubig wissen. Clemens schüttelte energisch den Kopf, dass seine dünnen blonden Strähnen hin und her flogen. »Nein! Das wäre dumm gewesen. Niemand darf meinen Namen wissen, falls der Meuchelmörder, der mich verfolgt, hier nachfragen sollte. Ich erklärte, dass ich eine Zeit auf dem Gestüt gearbeitet hätte. Nebenbei nannte ich auch Rehmringers Namen. Das schien ihn zu beeindrucken, und stellt euch vor, der Graf hat die Pferde bei Melchior Rehmringer gekauft und mir den Weg zu ihm erklärt, als ich ihn danach gefragt habe.« Clemens’ blaue Augen blitzten voller Freude. »Und so weiß ich nun, in welche Richtung ich gehen muss.«
    Erwartungsvoll sah Clemens in die Runde. Johann wich seinem Blick aus. Burghard wandte den Kopf zur Seite. Katharinas Augen füllten sich mit Tränen. Nur Franziska erhob sich, lächelte Clemens an und sagte leise: »Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen!« Beherzt ging sie auf Clemens zu und umarmte ihn. Zuerst stand er stocksteif da, doch dann entspannte er sich und erwiderte ihre Umarmung. Katharina erhob sich ebenfalls und fiel ihm schluchzend in die Arme. Nun gingen auch Burghard und Johann auf Clemens zu und reichten ihm die Hand zum Abschied. Bevor er die Kammer verließ, wandte er sich mit einem zwinkernden Auge an Johann: »Der Graf hat mein Gesicht übrigens weder mit Entsetzen noch mit Abscheu betrachtet.«
    Dann marschierte Clemens hinaus in den beginnenden Tag und ließ die anderen allein zurück.
    »Jetzt ist er fort! Einfach so«, flüsterte Katharina.
    »Und er hat nicht ein einziges Mal zurückgeschaut«, stellte Burghard fassungslos fest.

     
    Nachdem Clemens von dannen gezogen war, verabschiedeten sich auch Katharina, Franziska, Burghard und Johann von den Müllersleuten. Hans Kempfer sagte kein Wort, nickte nur kurz und ging zurück in die Mühle. Der kleine Achim hingegen stand weinend vor Katharina. Immer wieder zwinkerte er die Tränen fort und blickte dann zu ihr hoch. »Wirst du wiederkommen?«, schniefte er. Die junge Frau ging in die Hocke und wischte ihm über die Augen. »Vielleicht … eines Tages«, versuchte sie ihn zu trösten. Achim griff in seine Tasche und holte einen Frosch hervor. »Er soll dich vor schlechtem Wetter warnen!«, flüsterte er verschmitzt.
    »Achim!«, tadelte sie ihn leise, »du hast dir erneut Frösche gefangen! Du weißt, dass dein Vater dich bestrafen wird, wenn er von den Fröschen erfährt«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er nickte. »Ich habe jetzt ein besseres Versteck für meine Freunde. Dort wird er sie nicht finden.« Katharina nahm ihm den Frosch aus der Hand und steckte ihn in ihren Beutel. Dann gab sie dem Jungen einen Kuss auf den Scheitel und erhob sich. Die Müllerin überreichte Johann einen Laib Brot und sagte verlegen: »Mehr können wir euch leider nicht mitgeben.«
    »Das ist mehr, als wir erwartet haben«, dankte Johann zum Abschied.

     
    Schweigend gingen die vier Gefährten den Weg durch das Tal entlang des Kallenbachs, der sanft in seinem Bett dahinfloss. An einer seichten Stelle nahm Katharina den Frosch aus ihrem Beutel und setzte ihn ins feuchte Gras. Sofort hüpfte er in die Uferböschung und

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