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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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verlassen könnte, doch scheinbar bist du so dumm wie der Rest deiner Familie. Hatte ich dir nicht gesagt, dass du mir heute das Geld bringen sollst?« Josef konnte nur nicken. Doch dann jammerte er: »Aber Oheim, was soll ich denn tun, wenn sie mir die Tür nicht öffnen?«
    Der Bürgermeister von Duderstadt schlug seinem Neffen ins Gesicht, dass dieser vor Schmerz aufschrie. Josef hielt sich die brennende Wange und zuckte zusammen, als Harßdörfer ihn anbrüllte: »Eintreten sollst du diese verdammte Tür! Hast du verstanden, du Nichtsnutz? Eintreten!«
    In dem Moment kam Frau Harßdörfer ins Zimmer und schimpfte: »Albrecht, wie kannst du es wagen, meinen Neffen so anzuschreien? Der ganze Ort hört mit! Was hat der arme Junge denn verbrochen, dass du so mit ihm umgehst?« Mitleidig strich sie Josef über den Scheitel.
    Harßdörfer übersah seine Frau und setzte sich hinter seinen wuchtigen Schreibtisch. Dort wies er sie mit einem Fingerzeig an, den Raum zu verlassen.
    Frau Harßdörfer versuchte, ihrem Neffen aufmunternd zuzulächeln. Ihren Mann hingegen strafte sie mit Nichtachtung, als sie die Tür hinter sich schloss. Das Benehmen seiner Frau ließ Harßdörfer kalt. Ihn plagten Sorgen, von denen sie nichts wusste, nicht einmal etwas ahnte.
    Josef rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und wagte nichts zu sagen. Erneut spürte er den Blick seines Oheims an sich haften.
    »Ich gebe dir Zeit bis zum Weihnachtsfest, dann will ich das Geld hier auf dem Tisch liegen sehen! Und sag ihnen, dass sich die Zinsen mit jedem Tag erhöhen, bis sie das gesamte Geld zurückgezahlt haben.« Josef konnte nur zaghaft nicken. »Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Oheim!«
    »Und solltest du erneut versagen, werde ich dich so lange verprügeln, bis du dich nicht mehr muckst! Und jetzt verschwinde!«
    Josef sprang hastig auf und verließ den Raum. Im Gang lehnte er sich gegen die geschlossene Tür. Wütend wischte er die aufsteigenden Tränen fort.
    »Bevor du mich totschlägst, Oheim, werde ich dich an den Pranger bringen! Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!«, flüsterte er und stürmte den Gang hinunter aus dem Haus.
     
    Nachdem der Junge fort war, stützte Harßdörfer müde die Ellenbogen auf den Schreibtisch und fuhr sich durchs schüttere Haar. Dann faltete er die Hände vor dem Mund und legte das Kinn auf beiden Daumen ab.
    Wie konnte es nur so weit kommen?, grübelte er. Alle, denen ich das Geld geliehen habe, sind angesehene Handwerker aus den umliegenden Dörfern. Niemals hätte ich vermutet, dass sie mich hintergehen würden. Wie können sie es wagen?, ereiferte er sich und schlug wütend auf die Tischplatte. Es war ein einfacher Plan, der nicht schiefgehen konnte. Ein einfacher Plan, um mein Geld zu mehren. Schließlich habe ich das Geld nicht gestohlen, sondern es mir nur geborgt. Die Stadtkasse war bis zum Rand gefüllt, warum sollte ich es als Bürgermeister nicht nutzen? Es wäre alles gut gegangen, wenn diese Taugenichtse pünktlich zurückgezahlt hätten. Doch nun weigern sie sich, mir meine Zinsen zu bezahlen. Mich so zu hintergehen ist wahrlich schändlich, schließlich habe ich ihnen geholfen, als ihre Not am größten war. Vielleicht, überlegte er weiter, sollte ich persönlich das Geld eintreiben gehen. Doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Nein, ich kann mich nicht bei ihnen blicken lassen. Man darf mich nicht mit ihnen in Verbindung bringen.
    Albrecht Harßdörfer seufzte vernehmlich. Wenn bekannt wird, dass ich die Stadtkasse geplündert habe, weil ich mit den Zinsen leichtes Geld verdienen wollte, wird es ein böses Ende mit mir nehmen. Und jetzt hat sich auch noch der Steuereintreiber des Kurfürsten für das neue Jahr angesagt. Hoffentlich wird Bonner die Hexe rechtzeitig finden und nach Duderstadt zurückbringen. Dann kann ich die Hexe beschuldigen, mich verführt zu haben, das Geld zu nehmen. Ein hinterhältiges Lächeln entspannte Harßdörfers Gesicht. Wenn ich dem Erzbischof und dem Kurfürsten Johann Schweikhard zu Kronberg eine Hexe vorweisen kann, wird er mir glauben.
    Harßdörfer wusste, dass der Kurfürst sich zum Ziel gesetzt hatte, alle Hexen in seinem Reich zu vernichten. Aus seiner Feder stammte die Untersuchungsordnung mit einhundert Fragen, die er den Gerichten zugestellt hatte. Die Antworten der Beschuldigten sollten sie als Hexen überführen. Nie und nimmer, da war sich Harßdörfer sicher, würde der Kurfürst annehmen, dass er aus freien Stücken das

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