Der Hexenturm: Roman (German Edition)
nicht leugnen: Franziska war ein verdammt hübsches Kind, das auffallen würde. Er wusste, dass jeder Mann ihr hinterherblickte – auch wenn sie eine Hexe war.
Es dämmerte bereits, als Bonner an eine Wegkreuzung gelangte. Er zügelte sein Pferd und blickte sich um. Die Handelsstraße führte weiter geradeaus durch einsames Gebiet. Auf der Straße, die rechts abbog, lag eine Ansiedlung. Obwohl sie noch weit entfernt war, konnte Bonner eine Stadtmauer in der Ferne ausmachen. »Wird auch Zeit, dass in dieser trostlosen Gegend einmal eine Stadt auftaucht. Ich bin schon am Verdursten!«, brummte er. Seine Laune war nicht die beste, und wenn er Durst hatte, verschlimmerte sie sich noch. Also lenkte Bonner sein Pferd in Richtung Stadt.
Beim Näherkommen erkannte er außerhalb der Stadtmauer ein ungewöhnlich großes Gebäude. Neugierig geworden hielt er an und betrachtete es vom Rücken seines Pferdes aus. Erst jetzt sah er die unterschiedlichen Bedachungen. Einundzwanzig Scheunen zählte er, die aneinandergebaut worden waren. Jede dieser Scheunen hatte zwei Tore. Auf einem Torbalken konnte er schwach die Zahl 1608 lesen.
»Hier müssen wohlhabende Bauern leben«, murrte er neidvoll. »Ich bin zwar der reichste Bauer im Umfeld von Hundeshagen, aber selbst ich besitze nicht annähernd eine solch große Scheune.«
Bonner lenkte sein Pferd an den Scheunen vorbei und überquerte einen aufgeschütteten Damm, dann ritt er durch ein besonders großes Stadttor hindurch. Wieder hielt er kurz an, um das imposante Portal zu betrachten. Kopfschüttelnd murmelte er: »Wo bin ich denn hier hingeraten?«
Als Bonner in die Stadt einritt, konnte er rechts und links von der Hauptstraße kleine Gassen erkennen, in denen sich zweistöckige Häuser aneinanderschmiegten. Er folgte der breiteren Hauptstraße links den Weg hinunter. Die Hufeisen seines Pferdes klackerten auf den Pflastersteinen und lockten einige der Hausbewohner vor die Tür. Doch als Bonner ihren Gruß nicht erwiderte, sondern sie nur übel gelaunt anstarrte, verschwanden die Leute wortlos wieder in ihren Häusern.
Plötzlich drang leise Musik an Bonners Ohr. Erfreut hoffte er, ein Wirtshaus vorzufinden. Doch das Gebäude, aus dem die Melodien drangen, war keine Schankstube, sondern ein herrschaftlicher Wohnsitz und glich eher einem kleinen Schloss. Erneut hielt Bonner an und besah sich das Gebäude genauer. Durch die Fenster konnte er tanzende Schatten erkennen und schwaches Gelächter vernehmen. »Hier werde ich wohl nichts zu trinken bekommen.« Mit leichtem Schenkeldruck führte Bonner sein Pferd weiter auf der Straße. Endlich gelangte er zu einer Pferdewechselstation mit Gaststätte und gab sein Pferd sogleich beim Stalljungen ab.
»Sag, Bursche, wie nennt sich diese Stadt, in die es mich verschlagen hat?«
»Mengerskirchen«, antwortete der Junge.
»Hier leben wohl reiche Menschen?«, wollte Bonner weiter wissen. Der Junge zuckte mit den Schultern. »Vor der Stadt kreuzen sich die Handelsstraßen, so dass die Zollstation viel Geld einnimmt. Bei Arons«, sein Kopf wies zum Gasthaus, »verkehren viele Fährleute, die vom Main zum Rhein und umgekehrt wechseln.«
Da sein trockener Gaumen ihn plagte, beendete Bonner das Gespräch, zückte ein Geldstück für die Unterbringung seines Pferdes und stapfte ins Wirtshaus.
Bonner verharrte im Türrahmen, denn der Rauch aus zahlreichen Tabakpfeifen schlug ihm von drinnen entgegen und brannte ihm in den Augen. Nachdem er sich daran gewöhnt hatte, trat er ein. Alle Plätze an den Tischen und an der Theke waren besetzt. Dann erblickte er in der hinteren Ecke einen freien Tisch mit leeren Stühlen. Erfreut ging er darauf zu und setzte sich.
Sofort eilte der Wirt herbei, der wie die meisten seines Berufsstandes einen dicken Bauch und eine Glatze hatte sowie ein schmutziges Tuch in Händen hielt.
»Der Tisch ist besetzt«, schimpfte er.
»Ich sehe aber niemanden«, erwiderte Bonner ungerührt.
»Gleich werden die Jäger kommen!«
»Guter Mann«, schmeichelte Bonner dem Glatzköpfigen, »ich möchte eine Kleinigkeit essen, Bier trinken und ein Zimmer für die Nacht mieten.«
Der Wirt schien zu überlegen: »Wenn die Jäger kommen, suchst du dir einen anderen Platz.«
Bonner nickte, und der Wirt ging zurück hinter die Theke. Gleich darauf erschien die Magd und brachte Bonner einen Krug gefüllt mit Bier. Bevor sie wieder verschwinden konnte, hielt Bonner sie am Zipfel ihrer Schürze fest. Gleichzeitig setzte er
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