Der Hexenturm: Roman (German Edition)
den Krug an und trank ihn in einem Zug leer. Aus seiner Jackentasche holte er einen Kreuzer hervor, drückte ihn dem jungen Ding in die Hand und sagte: »Dafür füllst du mir meinen Krug auf, sobald er leer ist. Außerdem will ich was zu essen haben.«
Die Magd ließ das Geldstück zwischen ihren prallen Brüsten verschwinden und zischte durch ihre Zahnlücke: »Dicke Bohnensuppe oder Federvieh mit Tunke?«
»Federvieh«, brummte er. Sogleich entschwand das Mädchen in die Küche.
Bonner lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und streckte den Rücken durch. Seit Wochen sitze ich auf dem Gaul und reite kreuz und quer durchs Land, obwohl ich nicht weiß, wo Johann und die Hexe sein könnten, schimpfte er in Gedanken. Jeder Knochen in meinem Körper schmerzt. Warum habe ich mich nur auf so etwas eingelassen? Es war doch gut so, wie es war. Die Hexe ist weit weg vom Eichsfeld und kann dort keinen Schadenszauber mehr anrichten. Warum wollte Albrecht nur, dass ich sie zurückbringe? Ich verstehe das nicht. Mein armes Töchterchen Karoline muss nun ohne mich auf dem Hof zurechtkommen. Hoffentlich geht es meinem kleinen Schatz gut! Während Bonner an seinem Bier nippte, das ihm die Magd wortlos hingestellt hatte, dachte er an die Worte des Bürgermeisters von Duderstadt: »Du bist ein Jäger, und ein Jäger stöbert das Wild auf.«
»Jäger führen eine Meute Hunde mit sich, die das Wild hetzen und stellen! Bin ich etwa ein Köter?«, murmelte er leise vor sich hin und wischte sich den hellen Schaum von der Oberlippe. Das Mädchen kam und stellte einen Teller mit einem gebratenen ganzen Hähnchen vor Bonner auf den Tisch. Um den knusprigen Gockel schwammen kleine gedünstete Zwiebeln in einer Fetttunke. Dazu reichte die Magd ihm einen halben Laib Brot.
Bonner zerrupfte das Brot mit seinen Pranken und tunkte es stückchenweise in die dunkle Soße. Genüsslich kaute und schmatzte er. Vom Hähnchen riss er eine Keule ab, biss in das saftige Fleisch und nagte die Keule bis auf den Knochen blank. Fett triefte von seinen Mundwinkeln auf sein Hemd, doch das störte ihn nicht. Genüsslich leckte er sich die Soße von den Fingern.
Da öffnete sich die Tür, und mehrere Männer betraten lachend die Schankstube. Unbekümmert steuerten sie auf Bonners Tisch zu. Sogleich kam der Wirt herbei und entschuldigte sich, weil ein Fremder an ihrem Tisch saß. Einer der Männer stellte sich neben Bonner, der den Mund voller Hähnchenfleisch hatte, und schlug ihm wohlwollend auf die Schulter.
»Es macht nichts, dass der Fremde hier sitzt, denn sicher wird er die erste Runde übernehmen wollen.«
Bonner blickte überrascht auf. Mit leicht zusammengekniffenen Augen musterte er die sechs Männer. Er vermutete, dass es sich um die Jäger handelte, denn ihre blutverschmierte Kleidung und ihre verschmutzten Hände ließen darauf schließen, dass sie erst vor kurzem ihrer Beute die Innereien herausgenommen und sie zerlegt hatten.
Mürrisch nickte Bonner dem Wirt zu, woraufhin ihm die übrigen Männer dankend auf die Schulter klopften und sich setzten. Die Magd brachte in jeder Hand drei Bierkrüge herbei, die sie ächzend vor die Männer stellte. Laut prosteten sie Bonner zu, der mit dem Bier den letzten Bissen Hähnchen hinunterspülte. Er wischte sich mit dem Ärmel das Fett vom Kinn und gab dem Mädchen Zeichen für ein weiteres Bier. Einer der Jäger betrachtete ihn und fragte neugierig: »Wie ist dein Name?«
»Casper Bonner«, war die knappe Antwort.
»Bist wohl fremd hier in der Gegend?«
Bonner antwortete nicht, sondern pulte mit dem Fingernagel eine Fleischfaser zwischen seinen Zähnen hervor. Da der Jäger ihn abwartend anblickte, fragte Bonner: »War die Jagd erfolgreich?«
Sogleich sprachen die Jäger durcheinander und erzählten von einem prächtigen Hirsch, den sie bei der Jagd erlegt hatten. In allen Einzelheiten schilderten sie, wie sie das Tier erst gehetzt und dann gestellt hatten. »Habt ihr gesehen, wie meine Hunde den erschöpften Hirsch umzingelten und ihn nicht weiterlaufen ließen? Erstklassige Hunde!«, prahlte einer der Jäger.
»Ja, Heinrich! Da kann man nur zustimmen. Ich glaubte zuerst, dass sie ihm an die Gurgel gehen würden. Du hast sie gut abgerichtet.«
Vergnügt bestellten sie die nächste Runde und spendierten auch Bonner einen Humpen Bier. Dann meinte einer der Jäger: »Aber der Hirsch ist nichts gegen den Bären, den ich erlegen werde.«
Zuerst herrschte Stille, doch dann brachen die anderen
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