Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Geld aus der Stadtkasse entwendet hatte. Der hohe geistige Herr würde dem Bürgermeister glauben, dass eine Hexe ihn dazu getrieben hatte. Denn ein Albrecht Harßdörfer tat nichts Unrechtes – da konnte er sich auf seinen guten Leumund verlassen.
Kapitel 13
Nachdem sie erfahren hatten, dass Melchior Rehmringer nicht mehr lebte, waren Burghard, Clemens, Katharina, Franziska und Johann wie betäubt und mit letzter Kraft durch den Ort Wellingen gegangen. Im ersten Gasthaus, an dem sie vorbeikamen, mieteten sie sich ein Zimmer, das so klein wie eine Kammer und deshalb für fünf Menschen viel zu eng war. Aber sie beklagten sich nicht, denn die Miete war günstig, und der Schornstein im Raum sorgte für angenehme Wärme. Zudem ließ die Wirtsfrau Strohsäcke, Decken, angewärmtes Wasser, Handtücher und ein Stück Seife bringen.
Die Freunde sprachen kaum ein Wort miteinander. Sie saßen auf ihrem Lager und starrten wie betäubt die kahlen Wände der Kammer an.
Als die Stille sie zu erdrücken schien, sprang Clemens auf, entblößte seinen Oberkörper und tauchte den Kopf ins erkaltete Wasser in der Schüssel. Er wusch sich Haare und Körper mit Seife und befreite sich von Schmutz und Staub. Aus seinem Lederbeutel kramte er ein trockenes Hemd hervor.
Seine Freunde beobachteten ihn schweigend und warteten, dass er etwas sagen würde. Etwas, das ihnen Hoffnung gäbe, doch er blieb stumm. Nichts verriet seine Gedanken oder Gefühle.
Als er sich das frische Hemd übergezogen hatte und nun die Haare trocken rubbelte, flüsterte Katharina: »Was sollen wir nur machen?« Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, ebenso ihre Nase, die sie sich ständig schnäuzte.
Mit ausdruckslosem Gesicht drehte sich Clemens um und sagte: »Ich werde die alte Frau Rehmringer aufsuchen und mit ihr reden. Es kann nicht sein, dass all unsere Mühen umsonst waren!« Dann verließ er den Raum.
Franziska blickte mit großen Augen zu Johann und sagte: »Wenn du mich mit einer Nadel stechen würdest, käme sicherlich kein Tropfen Blut. Ich habe nicht einmal mehr die Kraft, um zu weinen.«
Johann zog Franziska sanft an sich und drückte ihr liebevoll einen Kuss auf den Scheitel. »Du musst nicht weinen, Liebes! Alles wird gut!«
Katharina konnte nicht leugnen, dass sie eifersüchtig war. Franziska konnte sich fallen lassen und wusste, dass Johann sie auffangen würde. Doch was war mit ihr? Niemand interessierte sich für sie, ihre Ängste oder ihre Gefühle. Erneut schossen ihr Tränen in die Augen, und sie vergrub ihr Gesicht im Strohsack, der vor ihr lag.
Plötzlich spürte sie eine Hand, die zart über ihre Schultern strich. Als sie aufblickte, sah sie in Burghards Augen, die ihr verständnisvoll zulächelten.
»Sei nicht traurig, Katharina. Es gibt immer eine Lösung. Vertraue auf Gott!«
Als sie sich nicht beruhigen konnte, nahm er sie in die Arme. Katharina legte den Kopf an seine Brust, und erst da versiegten ihre Tränen, und sie wurde ruhiger.
Die beiden Frauen wuschen sich, während Johann und Burghard vor der Tür warteten.
Johann betrachtete den Mönch von der Seite, der krampfhaft die gegenüberliegende Wand anstarrte. Schließlich sagte Johann ohne Spott in der Stimme: »Es war nett von dir, Katharina zu trösten.«
»Sie tat mir leid.«
Johann schwieg, doch dann fügte er hinzu: »Sie ist ein nettes Mädchen.« Nun wandte sich Burghard ihm zu. »Ja, das ist sie! Ich hoffe, dass Clemens und sie glücklich werden!«
»Clemens und Katharina? Wie kommst du darauf?«
»Hast du seine Blicke nicht bemerkt?«
»Welche Blicke?«
»Er verschlingt sie förmlich mit den Augen!«
»Ach, er verschlingt sie förmlich?«, spottete Johann leise. »Wie sieht so etwas aus?«
Verlegen scharrte Burghard mit dem Fuß auf dem staubigen Boden. »Das kann ich dir nicht erklären, aber ich denke, dass er sie begehrt.«
»Und Katharina? Begehrt sie ihn auch?«
Burghard zuckte mit den Schultern.
Johann lachte leise auf.
»Was ist daran so komisch?«, murrte Burghard verhalten.
»Komisch ist, dass du als Mönch beurteilen willst, was andere fühlen. Ich kenne die Gelübde, die ihr ablegen müsst. Woher willst du also wissen, wann ein Mann eine Frau begehrt?«
»Schließlich bin auch ich ein Mann! Ich muss keine Erfahrung haben, um zu wissen, was man für eine Frau fühlen kann.«
»Schön gesprochen, mein Freund! Aber statt dir Gedanken über die Gefühle anderer zu machen, solltest du dir lieber über deine eigenen Klarheit
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