Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Dornenhecken vor Eindringlingen geschützt im Inneren des Burghofs lag. Neugierig saß Bonner ab und band sein Pferd an einem der Holzpfosten fest. Nachdem er sich umgesehen und niemanden entdeckt hatte, wagte er, eines der Tore zu öffnen, die sich in der Schutzwand befanden. Staunend betrat er einen riesigen Garten. Bonners Blick schweifte über Hunderte Obstbäume. Gekonnt gestutzt standen sie in dichten Reihen gepflanzt. Fachmännisch betrachtete Bonner die Bäume und glaubte Kirschsowie Apfel- und Birnbäume zu erkennen. Die Obstwiese war so sauber und ordentlich, als habe jemand die Blätter einzeln von den Bäumen gepflückt. Kein gelb verfärbtes Blatt lag auf dem Boden.
Bonner ging weiter und erblickte einige fremd aussehende Bäume, an denen vereinzelt dunkelgelbe Früchte hingen. Er pflückte eine Frucht und roch daran. Dann ritzte er mit dem Fingernagel in die Schale und leckte vorsichtig den hellen Saft. Als er den bitteren Geschmack auf der Zunge spürte, warf er die Frucht im hohen Bogen von sich. »Igitt!«, murmelte er.
Bonner ging an den Obstbäumen vorbei und gelangte hinter eine hohe Hecke. Hier erstreckte sich ein großer länglicher Ziergarten, in dem verschiedene Bereiche von unterschiedlich hohen Hecken abgetrennt waren. Wege mit hellem Kies bedeckt leiteten den Besucher hindurch. Hinter einer mannshohen Hecke entdeckte Bonner eine große Fläche, in der Beete unterschiedliche Formen aufwiesen. Ein Fachmann hatte die Umrisse der Rabatten in Herz-, Pfeil-, Stern- oder Rundform gestaltet und sie untereinander mit Wegen verbunden. Dazwischen standen Steinbänke, die zum Verweilen einluden. Bonner setzte sich und genoss den Anblick des riesigen Gartens. So etwas Herrliches hatte er noch nie gesehen. Große Steinskulpturen standen in gleichmäßigen Abständen entlang der Bepflanzungen. Nach einigen Augenblicken der Ruhe setzte er seinen Gang durch den Garten fort. Eine besonders große Frauenskulptur hatte es ihm angetan. Begeistert betrachtete er sie und bewunderte die Genauigkeit des in Stein gehauenen Standbilds. Um es im Ganzen betrachten zu können, ging er einige Schritte rückwärts und übersah dabei einen Zierteich. Prustend tauchte er aus dem kalten Wasser auf, das ihm bis zur Brust reichte. Mehrmals versuchte er aus dem Becken zu steigen, doch er rutschte auf dem glitschigen Boden immer wieder aus. Nur unter großer Anstrengung gelang es ihm, seinen wuchtigen Körper aus dem Teich zu hieven. Schilf und andere Wasserpflanzen bedeckten seine Kleidung und seinen Kopf. Vor Kälte zitternd befreite er sich von den Pflanzen. Seine Kleidung, seine Haare, einfach alles war vom stinkenden Teichschlick verdreckt. Mehrmals fuhr er mit der Hand über den Stoff und rieb dabei den Moder nur noch tiefer in das Leinen. Wütend schimpfte Bonner: »Wie kann man nur so dämlich sein und in einen Teich fallen! Ich muss mir trockene Kleidung besorgen, sonst hole ich noch mir den Tod! Wäre ich doch nur nicht durch dieses vermaledeite Tor gegangen!«
Eilends verließ Bonner den Garten. Sein Pferd wieherte leise, als er die Zügel ergriff. Da er mit den nassen Sachen nicht aufsitzen wollte, ging er zu Fuß den Weg zur Burg hinauf. Bei jedem Schritt machten die nassen Stiefel ein schmatzendes Geräusch.
Als er den oberen Burghof erreichte, zogen mehrere Männer ächzend und stöhnend an Lastenaufzügen Baumittel hinauf zu den Arbeitern.
»Vorsicht!«, schrie jemand, als die Männer das Seil nicht mehr halten konnten und die Steine mit Getöse wieder herunterfielen. Der Aufprall wirbelte rötlichen Staub auf und ließ die Umstehenden husten. Als sich der feine Staub gelegt hatte, sah der Steinmetz die Katastrophe. Mehrere Steine waren zerbrochen. Fluchend raufte er sich die Haare und schrie: »Ihr törichten Dummköpfe! Eine Woche Arbeit umsonst! Wer bezahlt mir die Steine?«
»Jetzt beruhige dich, Albert, und sei froh, dass nicht mehr passiert ist«, besänftigte ein Arbeiter den Steinmetz. Den beiden Männern, die versucht hatten das Seil des Lastenkrans zu halten, war es durch die Handfläche gerutscht und hatte Haut und Fleisch fast bis zum Knochen verbrannt. Vor Schmerzen schreiend sprangen sie umher. Ein älterer Arbeiter eilte mit Stofffetzen und einer Flasche herbei. Erst goss er den Männern den Weinbrand über die Wunde, so dass sie noch lauter schrien. Anschließend gab er ihnen den Rest zu trinken. Gierig schluckten sie den Schnaps.
»Der Weinbrand reinigt die Verletzung und betäubt den
Weitere Kostenlose Bücher