Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Verlies herrührte.
»Wo bin ich?«, krächzte er, als er den Umriss eines menschlichen Schattens im Licht erkennen konnte.
»Dort, wo Landstreicher hingehören!«, höhnte der Schatten.
»Ich bin kein Landstreicher!«, versuchte Bonner zu schreien. Seine Stimme wurde von einem trockenen Husten erstickt. Der Schatten kam näher. Wenige Schritte von Bonner entfernt, stellte er ihm einen Krug auf den Boden
»Hier hast du Wasser und zu essen.«
Auf allen vieren kroch Bonner nach vorn und trank gierig. Auch biss er von dem Brot ab. Während er kaute, überlegte er, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte, denn sie kam ihm bekannt vor. Aber er konnte sich nicht erinnern, wo er sie schon einmal gehört hatte.
»Wer seid Ihr? Warum bin ich hier? Was habt Ihr mit mir vor?« Bonners Stimme wurde mit jedem Wort lauter.
Als der Schatten nur leise lachte, schrie Bonner mit ganzer Kraft: »Ich bin kein Landstreicher! Mein Name lautet Casper Bonner!«
»Ich weiß, Casper.«
Der Schatten drehte sich so ins Licht, dass Bonner das Gesicht erkennen konnte. »Simon, der Jäger!«, flüsterte er. Abermals erklang leises Lachen.
»Ich hätte dich für schlauer gehalten, Casper. Hast du wirklich geglaubt, dass ich nicht erfahren würde, was du vorhast?«
»Was habe ich vor?«, fragte Bonner.
Simon wurde wütend und stieß mit seinem Fuß den Krug um, so dass sich das Wasser ins Stroh ergoss.
»Jeder weiß, dass du mir den Bären vor der Nase wegschnappen und die Belohnung einheimsen willst. Da kennst du die Greifensteiner schlecht! Wir Greifensteiner halten zusammen! Kaum warst du weitergeritten, kam der alte Torwächter Michel zu mir geeilt und erzählte mir, dass du den Matthias Heixel suchen würdest. Jeder hier weiß, dass Matthias kein guter Jäger, aber ein hervorragender Spurenleser ist. Mir war sofort klar, dass du mir den Bären streitig machen willst.«
»Das ist dummes Zeug!«, ereiferte sich Bonner. »Ich will den Heixel, weil er der beste Spurenleser sein soll – das ist wohl wahr. Aber nicht um den Bären zu erledigen.«
»Verkaufe mich nicht für dumm, Bonner!«, schrie Simon auf. »Wozu solltest du sonst einen Spurenleser benötigen?«
»Verdammt, Simon, ich suche meinen Sohn, der mit einer Hexe durchgebrannt ist! Dafür brauche ich den Heixel.«
Der Mann stutzte und überlegte kurz.
»Ich glaube dir kein Wort. Das ist eine aberwitzige Geschichte, die du mir da auftischen willst. Du bleibst so lange hier, bis ich den Bären zur Strecke gebracht habe.«
Ungläubig starrte Bonner ihn an. »Das kannst du nicht machen. Ich habe nichts getan, was rechtfertigen würde, hier eingesperrt zu sein.«
Simon wandte sich von ihm ab und erklärte im Hinausgehen. » Ich kann das, denn ich habe bereits mit dem Amtmann, dem Patenonkel meiner Tochter, gesprochen. Er wird Graf Wilhelm I. von dir berichten, sobald der Graf von seinen Reisen zurückkehrt. Und eines sag ich dir jetzt schon: Graf Wilhelm mag keine Landstreicher, die sich in seinem Lustgarten herumtreiben.«
Schnaufend versuchte Bonner aufzustehen. Kraftlos rutschten seine Füße auf dem Stroh weg. Als er erkannte, dass er Simon ausgeliefert war, brüllte er um Hilfe.
»Du kannst in diesem Verlies so lange und so laut schreien, wie du willst«, spottete der Jäger. »Denn die Jungfer, wie man das Gefängnis spöttisch nennt, liegt westlich vom äußeren Wallgraben. Niemand wird dich hören, denn hier befinden sich auch die Folterkammern.«
Bevor die Tür ins Schloss fiel, rief Bonner mit letzter Kraft: »Ich stamme vom Eichsfeld. Das liegt auf der anderen Seite der Werra. Reite zum Bürgermeister von Duderstadt, der wird meine Geschichte bestätigen.«
Die schwere Verliestür wurde mit lautem Knall geschlossen. Erschöpft und von seinen Schmerzen überwältigt sackte Bonner zu Boden. Wie ein Kind zog er die Knie zur Brust und weinte.
Kapitel 17
»So, so!«, murmelte Johann von Baßy, der Amtmann von Wellingen. »Vor drei Tagen sind sie einfach so aus dem Nichts aufgetaucht. Was sagtest du? Ein Schweinehirte, zwei Mägde, ein Bauer und sogar einer, der Ahnung von Pferden hat?« Sein Gegenüber nickte stumm. »Und meine Tante vertraut diesen Fremden?« Erneut war ein Nicken die Antwort.
»Ich war der Ansicht, dass die Mutter ihrem Sohn bald folgen würde. Anscheinend hat sie aber andere Pläne«, murmelte von Baßy. »Sehr rätselhaft! Ausgerechnet ein Mann, der sich angeblich gut mit Pferden auskennt, verirrt sich auf ein Gestüt, wo der
Weitere Kostenlose Bücher