Der Hexer - GK595 - Tage des Wahnsinns
sein. Wieder mußte ich mir mit Gewalt ins Gedächtnis zurückrufen, daß der Mann neben mir nicht der Sean war, den ich zu kennen glaubte.
»Und was schlagen Sie vor?« fragte er.
Meine Gedanken flogen. Ich wußte, daß ich alles auf eine Karte setzen mußte, um weiterzukommen, aber ich hatte auch Angst, mit einer spontanen Aktion sämtliche Chancen zu verspielen.
Sean stand direkt neben mir, und ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er sich mißtrauisch umsah, als fürchte er, daß uns aus den Tiefen des Gartens etwas gefolgt war.
Ich hatte gesehen, wie er den Revolver in seiner linken Jackentasche verstaut hatte. Und ich wußte, daß sich eine Gelegenheit wie diese nicht mehr wiederholen würde.
Blitzschnell griff ich zu, riß den Revolver aus Seans Tasche und preßte ihn ihm in die Seite.
»Keinen Mucks«, stieß ich hervor. »Ich schwöre Ihnen, ich drücke ab, Sean.«
Sean spannte sich. Mein Angriff war zu überraschend gekommen, um ihm Zeit zur Gegenwehr zu geben. Aber ich wußte, daß ich den Riesen nicht unterschätzen durfte. Selbst mit der Waffe in der Hand fühlte ich mich nicht unbedingt sicher. Ich ahnte, daß er selbst dann noch mit mir fertig werden würde, wenn ich abdrückte.
Ich spannte den Hahn und trat zwei Schritte zurück. »Und jetzt öffnen Sie die Tür«, sagte ich.
Meine Stimme klang rauh und heiser, und die Waffe in meinen Händen zitterte. Ich hoffte, daß Sean es nicht bemerkte. Ich mußte da rein, koste es, was es wolle. Priscylla war irgendwo dort drinnen. Vielleicht schlief sie, vielleicht schwebte sie aber auch in akuter Lebensgefahr.
Wie auch immer; ich hatte ihren Hilferuf nicht vergessen, und ich ahnte, daß ich keine Zeit mehr zu verlieren hatte.
»Wie stellen Sie sich das vor?« fragte Sean. »Wollen Sie mich etwa über den Haufen knallen, wenn ich mich weigere? Davon haben Sie auch nichts.« Er lachte leise. »Sie haben doch nicht das Format dazu, Mann. Geben Sie die Waffe her und lassen Sie uns die Sache vergessen.«
Er trat einen Schritt vor und streckte die Hand nach der Waffe in meinen Fingern aus.
»Keinen Schritt weiter«, warnte ich ihn und hob den Revolver ein Stück höher.
Das kalte Metall wirkte wie ein Fremdkörper in meiner Hand, aber ich war nicht bereit, aufzugeben. In einer anderen Situation hätte ich Seans Kaltblütigkeit vielleicht bewundert, aber jetzt dachte ich nur daran, daß er mich unnötig aufhielt. Ich war meinem Ziel greifbar nahe, und ich ahnte, daß die Zeit drängte. Das gespenstische Erlebnis im Wald hatte mich zu der Überzeugung gebracht, daß die Gefahr, von der Priscylla gesprochen hatte, greifbar nahe war.
Sean schien mir anzusehen, daß ich zum Äußersten entschlossen war. Er ließ die Hand sinken, langsam, als überlege er, wie er mich am besten überwältigen könnte.
»Keine Tricks«, warnte ich ihn, »öffnen Sie die Tür, dann sehen wir weiter. Aber denken Sie immer daran, daß ich mit dem Revolver hinter Ihnen stehe.«
Sean zögerte sichtlich, bevor er schließlich widerstrebend nickte.
»Also gut«, sagte er. »Ich werde es versuchen.«
** *
Santers drückte Mrs. Sunday auf die Holzbank und starrte mit ausdruckslosen Augen auf sie hinab. Mrs. Sunday stieß einen erstickten Laut aus und hob abwehrend die Hände. In ihren weit aufgerissenen Augen funkelte panische Angst, und ihre Hände zitterten kraftlos.
Sie gehörte nicht zu dem Typ Frau, der schon beim Anblick eines Messers in Ohnmacht fällt, aber das, was sie in der letzten Stunde erlebt hatte, hatte ihren Widerstand gebrochen. Lyssa hatte fast erwartet, daß sie schreien oder sie mit erbitterten Vorwürfen überschütten würde, aber sie hatte sich getäuscht. Die Angst, die Mrs. Sunday gepackt hielt, schien bei ihr weder einen klaren Gedanken noch eine normale Reaktion zuzulassen.
»Laß sie in Ruhe«, befahl Lyssa.
Santers zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück.
»Aber ich muß sie doch vorbereiten«, wandte er ein.
»Das mache ich schon«, sagte Lyssa.
Mrs. Sunday ließ die Hände sinken und starrte sie an.
»Pri«, stieß sie hervor. Ihre Stimme klang rauh. »Du mußt Hilfe holen. Die beiden sind nicht mehr bei Verstand. Hol den Doktor.« Den letzten Satz schrie sie.
Lyssa erstarrte. Es war zwar unwahrscheinlich, daß sie jemand hörte, aber sie durften kein Risiko eingehen. Wenn man sie entdeckte, bevor das Opfer vollbracht war, war der Ausgang ihres Unternehmens in Gewahr. Sie nickte Santers zu und lehnte sich zurück.
Er hatte nur
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