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Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Titel: Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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hier!« keuchte Howard, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Die Tür hält ihrem Ansturm nicht stand.«
    Ich wollte widersprechen, aber ein rascher Blick zum Ausgang belehrte mich eines besseren. Die Motten prasselten noch immer wie Sand, der vom Sturm gepeitscht wurde, gegen die Tür und die beiden Fenster – aber es war keine massive Eichentür mehr, gegen die sie anrannten! Das zweifingerdicke Holz war rissig und porös geworden. Die Farbe blätterte in großen, häßlichen Flecken von ihrer Oberfläche, und das Holz darunter war alt und häßlich geworden; breite, wie erstarrte Blitze verlaufende Risse durchzogen seine Oberfläche. Grauer Staub rieselte an ihr herab.
    Sie alterte! Die Tür alterte in Sekunden um die gleiche Anzahl von Jahren...
    »Mein Gott!« murmelte ich. »Sie... kommen durch!«
    »In die Bibliothek!« sagte Howard. »Wir müssen hinauf. Das ist der einzige Ort, an dem wir sicher sind.« Er richtete sich auf und wies mit einer befehlenden Geste zum oberen Ende der Treppe. »Alles nach oben!« schrie er. »In die Bibliothek, schnell!«
    Charles und zwei oder drei der Dienstboten, die sich angstvoll in die Ecken gekauert hatten, begannen die Treppe hinaufzustürmen, während Howard mit einer abrupten Kopfbewegung auf eine Tür am anderen Ende der Halle wies. »Der Kutscher!« sagte er. »Wir müssen ihn holen!«
    Rowlf wollte sich umdrehen und loslaufen, aber Howard hielt ihn zurück. »Bring die Diener nach oben!« befahl er. »In die Bibliothek – schnell. Robert und ich holen ihn.«
    Nebeneinander rannten wir los. Das Prasseln gegen die Tür und die Fenster wurde lauter und klang jetzt wie Gewehrfeuer, und als ich im Laufen den Kopf wandte und zurücksah, bemerkte ich, daß die Tür nicht mehr ganz gerade in den Angeln zu hängen schien. Eine Anzahl winziger dunkler Punkte schien vor ihr in der Luft auf und ab zu hüpfen, aber ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich da waren oder ob es nur meine Angst war, die sie mir vorgaukelte.
    Howard stieß die Tür ohne viel Federlesens mit der Schulter auf, stürzte hindurch – und blieb so abrupt stehen, daß ich um ein Haar gegen ihn geprallt wäre.
    Der Kutscher lag noch so auf dem Bett, wie wir ihn hingelegt hatten. Und über seinem Kopf kreiste ein ganzer Schwarm der kleinen, fahlgrauen Motten.
    Howard deutete stumm auf ein offenstehendes Fenster. Rahmen und Glas waren alt und brüchig geworden, und durch den handbreiten Spalt quollen immer mehr und mehr Motten herein. Es mußten bereits hunderte sein, und von draußen kamen immer mehr nach.
    Vorsichtig näherten wir uns dem Bett. Der Kutscher regte sich stöhnend, und die quirlende Bewegung des Mottenschwarmes wurde schneller, unruhiger. Erschrocken blieb ich stehen, fuhr mir nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und machte einen weiteren, vorsichtigen Schritt.
    Der Kutscher öffnete stöhnend die Augen. Sein Blick war noch verschleiert. Er versuchte sich hochzustemmen, sank mit einem Seufzer wieder zurück – und erstarrte vor Schreck, als er das graue Wirbeln über sich gewahrte. Ich konnte direkt sehen, wie seine Erinnerungen mit grausamer Wucht zurückkehrten.
    »Um Gottes willen – rühren Sie sich nicht!« keuchte Howard. »Keine hastige Bewegung!«
    Aber es war – wenn Ron seine Warnung überhaupt hörte – zu spät. Der lebende Teppich über ihm wogte weiter hin und her, und drei, vier der kleinen Tiere ließen sich neben ihm auf die zerwühlte Bettdecke sinken.
    Sofort begann der Stoff unansehnlich und grau zu werden. Und eine einzelne, münzgroße Motte ließ sich mit einem lautlosen Flügelschlag auf seine Brust sinken. Ron schrie auf, fuhr hoch und schloß mit einer blitzschnellen Bewegung die Faust um das Tier.
    »Nein!« schrie Howard. »Nicht! Werfen Sie sie weg!«
    Ron schloß die Faust noch fester um die Motte, richtete sich auf und blickte abwechselnd Howard und seine zusammengepreßten Finger an. Es ging ganz schnell. Seine Finger wurden grau. Die Haut riß, aber sie blutete nicht, sondern rollte sich wie trocken gewordenes Pergament auf. Adern und Sehnen traten wie Stricke durch die dünner werdende Haut, seine Hand verkrampfte sich, zog sich wie unter einer inneren Spannung zusammen und wurde zu einer verkrümmten, ausgemergelten Klaue.
    Der Hand eines alten, eines uralten Mannes...
    Rons Lippen öffneten sich. Ein würgender, ungläubiger Laut drang aus seiner Brust. »Helft... mir!« keuchte er. »Ich... ich sterbe...«
    Howard sprang vor, packte den

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