Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Titel: Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
Mann bei den Schultern und zerrte ihn vom Bett herunter. Der Mottenschwarm über ihm begann zu kochen. Dutzende der kleinen grauen Tiere fielen wie Staub auf das Bett herab, regneten rings um Howard und den Kutscher auf den Teppich oder ließen sich auf den Wänden und dem Boden nieder. Howard brüllte, zertrat eines der Insekten, das einen Fingerbreit vor ihm zu Boden gefallen war, warf sich herum und robbte, Ron mit sich zerrend, vom Bett fort.
    »Das Licht!« schrie er. »Robert – das Licht!«
    Ich reagierte beinahe zu spät. Bisher hatte wie durch ein Wunder keines der grauenhaften Wesen Howard oder den Kutscher berührt, aber die hektische Bewegung der beiden schien die Tiere zur Raserei zu bringen. Meine Hand zuckte zu dem kleinen, versteckt angebrachten Rädchen, das die Gaszufuhr regulierte, und warf es mit einem Ruck herum. Das Licht wurde blasser und erlosch.
    Aber es wurde nicht vollkommen dunkel. Durch das zerborstene Fenster fiel ein blasser Lichtschimmer hinein und versilberte die Motten, die wie toll hin und her flatterten und das Zimmer in ein Chaos aus Bewegung und raschelnden, knisternden Geräuschen verwandelten, und das Kaminfeuer begann plötzlich höher zu brennen; winzige, kurzlebige Funken flammten auf und erloschen, und in das Rascheln der Mottenflügel mischte sich ein trockenes, widerliches Knacken.
    Es war genau wie draußen in der Halle. Die Tiere wurden vom Licht des Feuers magisch angezogen und stürzten sich blindlings in die Flammen...
    Howard versetzte mir einen Stoß, der mich endgültig aus meiner Starre riß, bugsierte Ron hinter mir unsanft aus dem Raum und zog die Tür hinter sich ins Schloß. Das Knacken und Prasseln des Kaminfeuers wurde immer lauter, und für einen Moment bildete ich mir ein, ein flackerndes rotes Licht unter der Tür hervorscheinen zu sehen.
    »Weiter!« keuchte Howard. »Zur Bibliothek, Robert! Um Gottes Willen – schnell!«
    Die Motten rannten noch immer gegen die Tür und die Fenster an, und ich wußte, daß es nur noch Sekunden dauern konnte, ehe sie ihrem Ansturm erliegen und zerbrechen mußten. Selbst das eigentlich unzerstörbare Bleiglas mußte alt und brüchig werden, wenn jede Sekunde ein Jahrzehnt bedeutete, und es würde irgendwann einfach unter seinem eigenen Gewicht zerfallen und zu Staub werden. Aber der Schrecken vermochte die dumpfe Betäubung, die sich um meine Gedanken gelegt hatte, nicht zu durchbrechen.
    »Beeil dich!« sagte Howard ungeduldig. »Wir müssen nach oben. In die...«
    Er sprach nicht weiter.
    Vom oberen Ende der Treppe erscholl ein gellender, verzerrter Schrei: »Bleibt unten! Es ist eine Falle!«
    Irgend etwas polterte, dann erklang ein Laut, als schlüge Stahl oder Stein auf Fleisch, und plötzlich torkelte Rowlfs hünenhafte Gestalt auf den Balkon hinaus. In einem grotesken Satz prallte er gegen das Treppengeländer, drehte sich herum und suchte nach Halt, aber seine Hände schienen nicht mehr die Kraft zu haben, seinen Körper zu stützen. Er wankte, glitt auf der obersten Stufe aus und prallte schwer gegen die Wand. Sein Mund öffnete sich, aber kein Laut drang über seine Lippen. Ich sah, wie er qualvoll nach Atem rang.
    Dann trat eine zweite Gestalt auf den Balkon hinaus, langsamer als Rowlf und hoch aufgerichtet, mit gestrafften Schultern.
    Es war ein Mann. Sein Gesicht war hinter einem schwarzen Tuch verborgen, das Nase und Mund bedeckte und an den Schläfen mit seinem Turban verbunden war. Wie seine ganze Kleidung war dieser Turban schwarz, ein Schwarz, das tiefer war als das der Nacht und das Licht aufzusaugen schien. Nur der halbmeterlange, rasiermesserscharf geschliffene Krummsäbel in seiner Hand reflektierte das Licht der flackernden Lampe.
    Der Anblick ließ mich erstarren. Ich vergaß Rowlf, der sich zu Füßen des Fremden auf den Stufen krümmte. Ich vergaß Howard, der irgend etwas stammelte, was ich nicht verstand, und ich vergaß den Kutscher, der vollends zwischen uns zusammengebrochen war. Ich sah nur noch den Fremden.
    Den Drachenkrieger, den Necron geschickt hatte, um zu vollenden, was ihm nicht gelungen war.
    Hinter uns zerbarst die Haustür mit einem ungeheuren Dröhnen; beinahe gleichzeitig zersprangen die Fenster wie unter einem Fausthieb. Durch die Öffnung quoll eine kochende Wolke winziger grauer Motten...

    * * *

    Lautlos wie ein Schatten verschwand der Mann in der Nacht. Niemand hatte ihn gesehen, als er die kleine Seitentür des Gefängnisses hinter sich zugezogen hatte, so wenig, wie

Weitere Kostenlose Bücher