Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
Umgebung, in der er seit mehr als zwei Jahrzehnten lebte, war ihm mit einem Male fremd und unheimlich erschienen, so fremd, als wäre er unversehens in eine vollkommen andere, ihm unverständliche Welt verschlagen worden.
Dann war das Gefühl gegangen.
Geblieben war die Furcht.
Sarim de Laurec hatte Angst. Und es war eine Angst ganz anderer Art, als er sie jemals zuvor kennengelernt hatte. Er hatte Angst, ohne zu wissen wovor, und es war, als wäre in ihm noch etwas, ein fremder, feindseliger Geist, der an seiner Seele nagte und fraß wie eine unsichtbare Ratte.
Der Franko-Araber versuchte, den Gedanken zu vertreiben, stand auf und ging mit raschen Schritten zu dem kleinen Teewagen neben dem Kamin hinüber, um sich – ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten – einen Drink zu mixen. Seine Hände zitterten so stark, daß das Eis im Glas klirrte, und der ungewohnte Alkohol brannte wie Feuer in seiner Moslem-Kehle. Aber er beruhigte ihn auch. Nach einer Weile spürte er, wie die Angst wich und sein normales, logisches Denken wieder die Oberhand gewann.
Sarims Augen wurden schmal, während er sich, das Glas noch immer in der Hand und den scharfen Geschmack des Cognacs auf der Zunge, einmal um seine Achse drehte und das Zimmer in allen Einzelheiten musterte. Das Gefühl der Furcht war vergangen, aber de Laurec wäre nicht der Mann gewesen, der er war, wäre er einfach über den Zwischenfall hinweggegangen.
Was war das gewesen? dachte er. Wirklich nur seine Nervosität – oder vielleicht mehr? Ein Angriff mit Mitteln der Magie oder Teufelskraft? Sekundenlang wog de Laurec alle ihm möglich erscheinenden Erklärungen gegeneinander ab. Es mochte sein, daß das, was er gefühlt hatte, ein geistiger Angriff gewesen war, der Versuch eines anderen, Gewalt über sein Denken und seinen Willen zu erlangen. Bruder Howard?
Das war die eine Möglichkeit, überlegte de Laurec.
Die andere – die ihm weit wahrscheinlicher erschien – war, daß er noch immer unter den Auswirkungen des fehlgeschlagenen Versuches litt, das Kristallhirn der GROSSEN ALTEN unter die Kontrolle des Templerkapitels von Paris zu bringen. Er hatte die Berührung dieses unendlich fremden, bösen Geistes nur für Sekunden gespürt, aber er hatte gefühlt, welch ungeheure Macht dieses uralte Etwas besaß.
Als Sarim de Laurec an diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen war, verspürte er einen scharfen, sehr tief gehenden Stich in der Schläfe. Er fuhr zusammen, krümmte sich wie unter einem Schlag und versuchte den Schmerz zu vertreiben. Als ausgebildeter Magier der Templerloge hatte er gelernt, seinen Körper perfekt zu beherrschen und Schmerzen nach Belieben abschalten oder zumindest dämpfen zu können.
Diesmal versagte sein Können. Im Gegenteil – der Schmerz steigerte sich zu plötzlicher Raserei, füllte seinen Schädel aus und schickte dünne brennende Adern aus purer Agonie in seinen Körper. De Laurec keuchte. Seine Hand krampfte sich so fest um das Glas, daß es zerbrach und die Scherben tiefe Wunden in seine Haut schnitten. Er taumelte, fiel rückwärts gegen den Barwagen und stürzte in einem Hagel von zersplitternden Gläsern und Flaschen zu Boden. Blut lief über seine Hände, eine Scherbe zerschnitt seine Wange, und der Inhalt der zerborstenen Flaschen bildete eine große, scharf riechende Lache auf den Mosaikfliesen des Bodens.
De Laurec spürte nichts von alledem.
Es war so wie beim ersten Mal, nur tausendfach schlimmer.
Das Zimmer zuckte und bebte vor seinen Augen, als wären die Wände und die Einrichtung plötzlich zu gräßlichem Leben erwacht. Fremde, unangenehme Farben überlagerten die zarten Pastelltöne der Tapeten und Gardinen, und aus den Schatten krochen Dinge.
De Laurec schrie. Verzweifelt bäumte er sich auf, schlug wie von Sinnen um sich und preßte die Hände gegen die Augen, aber es nutzte nichts. Er konnte weiter sehen, als verfüge er plötzlich über zusätzliche Sinne, und er sah weit mehr, als er es mit seinen normalen menschlichen Augen je gekonnt hätte.
Das Zimmer veränderte sich weiter. Die Wände bogen und verzerrten sich auf groteske Weise. Graue, blasphemische Scheußlichkeiten starrten ihn aus den Rissen und Wunden der Wirklichkeit an, blasenschlagende Tentakeln peitschten, und da, wo der Boden sein sollte, kroch ein unheimlicher schwarzer Sumpf.
Dann, so schnell, wie die Visionen gekommen waren, verschwanden sie wieder. Mit ihnen ging der grausame Schmerz in de Laurecs Schädel, und plötzlich
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