Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
war die Welt wieder so, wie Sarim de Laurec sie kannte.
Beinahe jedenfalls.
Es dauerte lange, bis dem Puppet-Master des Templerordens die Veränderung auffiel.
Die Wirklichkeit hatte Flecken bekommen.
Es war ein sonderbarer, sinnverdrehender Effekt, der ihn abermals aufstöhnen ließ, kaum daß er sich mühsam in eine halbwegs sitzende Position hochgestemmt hatte. Dutzende von kleinen, verwaschenen grauen Flecken übersäten das Bild, das ihm seine Augen zeigten. Sie waren nicht statisch, sondern bewegten sich ununterbrochen, flitzten wie kleine graue Nebeltierchen hin und her und huschten jedesmal davon, wenn er versuchte, genauer hinzusehen. Es war, als wäre sein Blick plötzlich getrübt; die grauen Flecken schienen auf seinen Netzhäuten zu sein, so daß es ihm unmöglich war, sie direkt anzusehen. Einen Moment lang versuchte er, sich an diese Erklärung zu klammern.
Aber er wußte auch, daß es nicht so war. Er hatte graue Flecke wie diese schon einmal gesehen, vor nicht einmal zwei Tagen.
Und dann hörte er die Stimme.
Sie war lautlos und erklang direkt in seinem Gehirn, und sie sprach Worte, die Sarim de Laurec noch nie zuvor in seinem Leben gehört hatte, Worte aus einer Sprache, die vor zweihundert Millionen Jahren untergegangen war; zusammen mit dem Volk, das sie benutzte.
Und trotzdem verstand er sie.
Länger als eine Stunde blieb er reglos und mit geschlossenen Augen hocken und lauschte auf die unsichtbare Stimme in seinem Schädel.
Als er endlich aus seiner Erstarrung erwachte, war alles Leben aus seinen Augen gewichen. Sie waren grau und matt, und alles, was darin noch loderte, war das Feuer des Wahnsinns. Sein Gesicht war schlaff, als lege das, was jetzt die Herrschaft über seinen Körper hatte, keinen Wert mehr auf die Kontrolle seiner Muskeln.
Aber er war nicht nur äußerlich verändert. Die größere, schlimmere Veränderung hatte sich lautlos und unsichtbar abgespielt, hinter seiner Stirn und auf einer Ebene seines Denkens.
Sarim de Laurec, der Puppet-Master des Templerordens, hatte einen neuen Herren gefunden.
* * *
Der erste halbwegs klare Gedanke war Erstaunen. Verwunderung darüber, daß ich noch lebte. Dann Schmerz. Ein Schmerz, der nicht genau zu lokalisieren war, sondern überall in meinem Körper wühlte, als zupfe jemand genüßlich an jedem einzelnen Nerv, den ich hatte. Dann begannen sich die düsteren Schleier zu lichten, die mein Bewußtsein umgaben; ich hörte Geräusche, spürte die Kälte des Regens auf der Haut und das harte Pflaster der Straße unter dem Kopf, und schließlich gerann der Schmerz zu einem gräßlichen Brennen und Stechen in meinen Fußknöcheln und einem kaum weniger peinigenden Pochen in meinem Rücken. Jemand schlug mir ins Gesicht, nicht sehr fest, aber beständig, und eine Stimme rief immer wieder meinen Namen. Ich öffnete die Augen.
Ich lag auf dem Rücken inmitten eines gewaltigen Trümmerhaufens aus Holz, Metall und einem widerlich weichen, grünlich-gelben Etwas, das durchdringend nach faulem Obst stank. Eine gewaltige, behaarte Hand hatte mich am Jackenaufschlag gepackt und halbwegs in die Höhe gezerrt, und eine zweite, nicht weniger große Hand klatschte immer wieder abwechselnd auf meine rechte und meine linke Wange. Darüber, noch immer halb verzerrt hinter treibenden grauen Schleiern, starrte mich Rowlfs Bulldoggengesicht an.
Er schlug noch drei-, viermal zu, dann schien er endgültig davon überzeugt zu sein, daß ich wieder bei Bewußtsein war, denn er hörte auf, auf mich einzuprügeln, und setzte mich statt dessen wie ein Spielzeug aufrecht hin. Sofort sackte ich wieder zusammen, aber Rowlf zerrte mich abermals hoch, grunzte wütend und lehnte mich mit dem Rücken gegen das, was von dem zerborstenen Gemüsekarren übrig geblieben war. »Verstehst du mich?« fragte er. Seine Stimme klang sehr ernst.
Ich nickte, und auf Rowlfs breitem Gesicht machte sich ein erster Schimmer vorsichtiger Erleichterung breit. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte er noch einmal.
»Noch«, murmelte ich schwach. »Aber du kannst aufhören, mich weiter zusammenzuschlagen. Ich habe für heute genug Prügel bezogen.«
Rowlf grinste, ließ meine Schulter los und griff blitzschnell wieder zu, als ich erneut zur Seite zu kippen drohte. In meinem Kopf machte sich ein ekelhaftes Gefühl breit: kein Schmerz mehr, aber eine Mischung aus Schwindel und Schwäche, die beinahe schlimmer war.
»Wasn passiert, Kleener?« nuschelte Rowlf, plötzlich wieder in
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