Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Titel: Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
erreichen. Hastig sah ich in die Tiefe. Das zerborstene Fenster schien unendlich weit unter mir zu liegen, und die Straße darunter war hinter den Schatten der Nacht verschwunden. Von Eisenzahn war noch keine Spur zu sehen. Aber es konnte nur noch Sekunden dauern, ehe er das Fenster erreicht hatte.
    Ich sah nach oben. Die Dachkante ragte einen guten halben Yard über die Mauer hinaus, so daß mir nichts anderes übrig blieb, als vorsichtig zuerst die linke, dann auch die rechte Hand von meinem Halt zu lösen, nach der durchhängenden Regenrinne zu greifen und einfach darauf zu hoffen, daß sie mein Gewicht tragen würde.
    Für einen kurzen, schrecklichen Moment bog sich die gesamte Konstruktion unter meinem Gewicht durch. Ich angelte mit den Füßen nach dem Regenrohr, glitt aber an dem feuchten Eisen ab und verlor vollends den Halt. Eine halbe Sekunde lang kippte der Himmel über mir zur Seite, dann lief ein spürbarer Ruck durch das rostzerfressene Eisen, irgendwo ertönte ein Laut, als zerbreche Metall – und ich spürte, wie meine improvisierte Leiter vollends aus der Wand riß.
    Mit letzter Kraft warf ich mich vor, bekam die Dachkante zu fassen und klammerte mich mit aller Macht daran fest. Die regenfeuchten Ziegel boten meinen Händen kaum Halt, aber ich krallte mich fest, spürte, wie meine Fingernägel der Reihe nach abbrachen und griff blindlings mit der anderen Hand nach. Im gleichen Moment stürzte die Dachrinne polternd unter mir in die Tiefe.
    Drei, vier Sekunden lang hing ich mit hilflos pendelnden Beinen an der Dachkante. Meine Füße scharrten über die Wand, aber ich fand keinen Halt, und ich fühlte, wie meine Finger Millimeter für Millimeter über den feuchten Schiefer glitten; langsam, aber unbarmherzig. Verzweifelt zog ich die Beine an, machte einen gewagten Klimmzug, unter dem das ganze Dach zu erbeben schien – und zog mich ein Stück weiter nach oben. Aber nur, um sofort wieder auf dem glitschigen Dach zurückzurutschen.
    Verzweifelt begann ich mit den Beinen zu strampeln, streifte die Schuhe ab und schrammte mit den Zehen über die Hauswand. Diesmal fand ich Halt. Meine nackten Zehen stemmten sich in einen Mauerriß, und für einen ganz kurzen Moment konnte ich mein Körpergewicht verlagern und nach festem Halt suchen. Mit einem letzten, erleichterten Seufzer zog ich mich auf das Dach hinauf.
    Besser gesagt – ich wollte es.
    Ein gewaltiger Schatten erschien vor dem regenverhangenen Nachthimmel, dann senkte sich ein nackter Fuß, der nur zur Hälfte aus Fleisch und Haut und zur anderen aus schimmerndem Eisen bestand, auf meine linke Hand und trat so wuchtig zu, daß ich meinen Halt losließ und erneut nach hinten zu kippen begann. Im letzten Moment konnte ich meinen Sturz bremsen – aber nur, um mit hilflos pendelnden Beinen weiter über dem Abgrund zu hängen. Und ich spürte, wie die Kraft in meiner rechten Hand von Sekunde zu Sekunde nachließ.
    »Sie machen es mir wirklich nicht leicht, meine Aufgabe zu erfüllen, Mister Craven«, sagte Eisenzahn kopfschüttelnd. Er beugte sich vor, und obwohl ich genau wußte, daß er nichts als ein Automat und zu solcherlei Regungen gar nicht fähig war, glaubte ich für einen Moment, ein schadenfrohes Glitzern in seinem verbliebenen Auge zu sehen. »Aber ich verstehe nicht ganz, warum Sie sich die Mühe gemacht haben, an der Wand hinaufzuklettern«, fuhr er im Plauderton fort. »Sie hätten die Treppe nehmen können, wissen Sie? Genau wie ich.«
    Und damit trat er mir auf die andere Hand. Das letzte, was ich sah, war sein hämisches Grinsen. Dann kippten der Himmel und das Dach in einem grotesken Salto nach hinten weg, und ich fiel wie ein Stein in die Tiefe.

    * * *

    Obwohl in dem Zimmer an die hundert Kerzen brennen mußten, war es nicht richtig hell. Ein sonderbarer, grauflackernder Schein hing in der Luft wie graues Licht, und mit dem Knistern des Kaminfeuers drang noch ein anderer, unwirklicher Laut in das Schweigen der Nacht. Das Haus war still geworden, nachdem auch die letzten Dienstboten gegangen waren, viel stiller als sonst. Und da war noch etwas. Ein nicht mit Worten zu beschreibender, aber überdeutlich fühlbarer Unterschied, etwas, als...
    Sarim de Laurec hob stöhnend die Hand an die Stirn. Für einen Moment hatte er das Gefühl gehabt, das Zimmer auf bizarre Art und Weise sich biegen und winden zu sehen. Etwas war mit den Farben geschehen, das zu beschreiben ihm selbst in Gedanken die richtigen Worte fehlten. Die vertraute

Weitere Kostenlose Bücher