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Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Titel: Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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schüttelte ich den Kopf und deutete auf Lady Audley. Er schloß kurz die Augen. Er hatte verstanden, daß das, was hier geschah, auch mir neu und unheimlich sein mußte.
    Die grauhaarige Aristokratin hatte aufgehört, sich hin und her zu wiegen und zu summen. Trotz des schwachen Lichtes konnte ich erkennen, daß ihr Gesicht alle Farbe verloren hatte. Ihre Wangenmuskeln waren gespannt, so fest, als presse sie die Kiefer mit aller Macht aufeinander, und auf ihrer Stirn glitzerte feiner Schweiß.
    Plötzlich begannen ihre Lippen zu beben. Ein röchelnder, unheimlicher Ton drang aus ihrer Brust.
    »Iä – N’ghy n’ghya«, keuchte sie. »Näthägn oa Shub-Niggurath, näfthfath whaggha nagll.«
    Howard fuhr wie unter einem Peitschenhieb zusammen und sprang auf, so heftig, daß sein Stuhl umkippte und rücklings auf den Boden schlug.
    Lady Penderguest, die direkt neben Lady Audley saß, schrie gellend auf, prallte zurück und riß ihre Hand los, und auch die anderen Beteiligten fuhren mit einem entsetzten Keuchen hoch, schrien auf oder erstarrten auf ihren Plätzen vor Schreck,
    Aber es waren nicht die fürchterlichen, unmenschlichen Laute, die den Kreis auf so abrupte Weise gesprengt hatten!
    Im gleichen Moment, in dem Lady Audleys Lippen begonnen hatten, jene unmenschlichen Lautballungen zu bilden, hatte sich das Licht verändert. Der gelbliche Schein flackerte, war plötzlich von etwas Grünem, Ungreifbaren durchdrungen, und von einer Sekunde auf die andere erfüllte ein geradezu bestialischer Gestank den Raum.
    Lady Audley begann zu wimmern. Ihre Lider flogen mit einem Ruck auf, aber der Blick ihrer Augen war trüb vor Entsetzen; sie sah nicht uns, sondern schien etwas unglaublich Schreckliches zu erblicken.
    »Cindy!« wimmerte sie. »Cindy!« Und dann, noch einmal und so gellend und spitz, daß der Schrei mir schier das Blut in den Adern gerinnen ließ:
    »Cindy!«
    Etwas Unheimliches geschah. Die fürchterliche Grünfärbung des Lichtes vertiefte sich, und plötzlich tanzte etwas Bleiches, formlos Weißes wie transparenter Nebel in der Mitte der Tischplatte. Jemand schrie, Stühle polterten, und zwei, drei Personen sprangen in Panik auf und stürzten zur Tür, konnten sie aber nicht öffnen.
    Ich nahm von all dem kaum etwas wahr, sondern starrte weiter auf das tanzende weiße Etwas, das wie Nebel über dem Tisch wallte und wogte. Plötzlich wurde es kalt, schneidend kalt, und mit einem Male streifte mich ein eisiger moderiger Luftzug, wie der Hauch aus einem Grab.
    Dann ballte sich der Nebel zusammen, wuchs in Augenblicken zu einer zwei Meter hohen, flackernden Säule aus wirbelndem Weiß und reiner Bewegung –
    und formte sich zu einer menschlichen Gestalt!
    »CINDY!« brüllte Lady Audley. Ihre Stimme brach, schnappte über und wurde zu einem hellen, fürchterlichen Kreischen. Ihre Augen schienen vor Entsetzen fast aus den Höhlen zu quellen, während sie auf die flackernde, halbdurchsichtige Mädchengestalt starrte, zu der sich die Ektoplasmawolke geformt hatte.
    Dann geschah etwas Furchtbares. Es ging unglaublich schnell, so rasch wie das Senken und Heben eines Augenlides, und außer Howard und mir erkannte wohl niemand seine wahre Bedeutung.
    Unter der Gestalt und irgendwie im Inneren der massiven Tischplatte erschien etwas Schwarzes, Waberndes, ein Klumpen formlos glitzernder... Dinge, die sich wanden und zuckten und bebten. Ein peitschender, schleimig-schwarzer Arm zuckte wie eine glitzernde Schlange empor, drang durch den Nebelkörper des Mädchens und riß ihn mit einer unglaublich harten Bewegung auseinander, so rasch und plötzlich, wie eine Sturmböe den Morgennebel zerreißt. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich einen Schrei zu hören, einen Schrei so voller Entsetzen und Furcht, wie ich ihn noch nie zuvor in meinem Leben vernommen hatte. Dann verstummte er. Der Nebelkörper und das schwarze Ding in der Tischplatte waren verschwunden, und plötzlich war das Licht wieder normal.
    Lady Audley kreischte noch einmal, schlug die Hände vor die Augen und kippte mitsamt ihrem Stuhl nach hinten. Zwei andere Frauen begannen hysterisch zu schreien, während der grauhaarige Mann in der Uniform eines Marineadmirals neben Howard kurzerhand in Ohnmacht fiel.
    Howard war der erste, der die Lähmung überwand. Mit zwei, drei hastigen Schritten war er um den Tisch herum und kniete neben Lady Audley nieder.
    Im gleichen Moment brach in der kleinen Bibliothek endgültig eine Panik aus.

    * * *

    Die

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