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Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Titel: Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Wünsche lagen offen vor mir, als wären es meine Erinnerungen und Wünsche, und ich spürte die Panik, das unglaubliche Entsetzen, das sie empfunden und das ihren Geist in die Umklammerung des Wahnsinns getrieben hatte.
    Für einen Moment begann mein Herz zu rasen. Ich spürte, wie mir am ganzen Leib kalter, klebriger Schweiß ausbrach, wie die Angst und das Grauen auch mich zu überwältigen drohten und mein Atem schnell und hektisch wurde. Es kostete mich ungeheure Überwindung, diesen Orkan von Gefühlen und Empfindungen niederzukämpfen.
    Ich wußte nicht, wie lange ich so reglos dasaß und versuchte, nichts als Ruhe zu empfinden, den tobenden Hexenkessel von Gefühlen in meinem Inneren zu beruhigen und etwas von dieser Ruhe in ihren Geist zu senden. Irgendwann, nach Minuten, die mir wie Stunden vorkamen, beruhigte sich ihr hämmernder Puls, und auch ihr Atem wurde langsam wieder normal. Ich spürte, wie die unnatürliche Kälte aus Lady Audleys Haut wich, ganz langsam und nur widerwillig, aber beständig.
    Als ich die Augen öffnete, war ihr Blick klar.
    Howard sprang mit einer erschrockenen Bewegung herbei und fing mich auf, als ich zur Seite kippte.
    Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, fühlte ich mich so schwach und kraftlos wie ein Neugeborenes. Eine Woge unendlicher Müdigkeit drohte meine Gedanken hinwegzuspülen. Ich stöhnte, suchte kraftlos an Howards Arm nach Halt und sank gegen die Rückenlehne der Chaiselongue, als Howard mich aufrichtete.
    »Was hast du?« fragte er besorgt.
    Ich winkte ab, schüttelte müde den Kopf und zwang mich, die Augen zu öffnen. Dunkle, substanzlose Schleier wogten vor meinem Blick. Mir wurde übel. Erst jetzt begann ich zu spüren, wie sehr mich der stumme Kampf angestrengt, welche Kraft er von mir verlangt hatte.
    »Alles in Ordnung?« vergewisserte sich Howard noch einmal.
    Ich nickte, schob seine Hand zur Seite und wandte mich mit einem Lächeln, das auch noch den letzten Rest meiner Kraft erforderte, an Lady Audley.
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte ich mühsam. »Besser?«
    Lady Audley schien meine Worte überhaupt nicht zu hören. Sie antwortete nicht, sondern starrte mich nur aus ungläubig aufgerissenen Augen an. Ihre Lippen bebten.
    »Gütiger Gott!« flüsterte sie. »Was... was haben Sie getan, Robert? Wer... was sind Sie?«
    Ich wollte antworten, aber diesmal war es Howard, der mich mit einer raschen Geste unterbrach und sich an Lady Audley wandte.
    »Erinnern Sie sich, was geschehen ist?« fragte er. »Bitte, Lady Audley – es ist wichtig. Sehr wichtig.«
    Lady Audley zuckte zusammen wie unter einem Hieb. Wieder flammte für einen Moment ein schwacher Schimmer ungläubigen Entsetzens in ihrem Blick auf. Aber diesmal hatte sie sich besser in der Gewalt.
    Sie nickte, sehr knapp und mit einer abgehackten, mühevoll wirkenden Bewegung, fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und versuchte sich aufzurichten,
    »Ich... erinnere mich«, murmelte sie verstört.
    Ihre Stimme zitterte, und ich spürte, daß sie erneut kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren.
    »Sie haben einen Namen gerufen, Lady Audley«, sagte ich leise. »Erinnern Sie sich? Cindy. Sie haben ein paarmal ›Cindy‹ gerufen.«
    »Cindy...« wiederholte sie leise. Ihr Blick verschleierte sich, und plötzlich glitzerten Tränen in ihren Augen. Aber sie kämpfte das Schluchzen, das aus ihrer Kehle emporsteigen wollte, mit aller Kraft zurück.
    »Dieses Mädchen«, sagte Howard vorsichtig. »Diese... Erscheinung – war das Cindy?«
    Lady Audley sah mit einem Ruck auf. »Sie... Sie haben sie auch gesehen?« flüsterte sie. »Sie war wirklich da? Sie haben sie wie ich gesehen?«
    »Wir alle haben sie gesehen«, bestätigte Howard. Seine Stimme bebte vor Ungeduld. Ich warf ihm einen raschen, warnenden Blick zu, richtete mich ein wenig auf und griff noch einmal nach Lady Audleys Hand.
    »Es war keine Halluzination«, sagte ich, so sanft, wie es mir überhaupt möglich war. »Wer war dieses Mädchen?«
    »Cindy«, murmelte Lady Audley wieder. Ihre Finger krampften sich plötzlich so fest um die meinen, daß es schmerzte. »Meine kleine Cindy. Sie ist... sie war meine Nichte. Ich... ich habe sie geliebt wie... wie eine Tochter, und sie mich wie eine Mutter.«
    »War?« erkundigte sich Howard.
    Lady Audley nickte. »Sie ist tot«, schluchzte sie. »Sie ist... gestorben. Vor zwanzig Jahren gestorben, verstehen Sie?« Ihre Augen weiteten sich, während sie abwechselnd mich und

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