Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich
damit sagen, daß... dasselbe mit einem Menschen geschehen würde, wenn er...« Ich sprach nicht weiter. Der Gedanke ließ mich innerlich zu Eis erstarren.
»Ich fürchte es«, sagte Howard. »Jedenfalls möchte ich es nicht ausprobieren.«
»Aber woher sind sie gekommen?« fragte ich. »Ich glaube nicht, daß es Zufall war –«
»Vielleicht unterhaltet ihr euch später darüber«, unterbrach mich Rowlf. »Da kommt ‘ne Droschke. Sieht aus, wie wennse hier halten würde.«
Howard und ich standen gleichzeitig auf und traten neben ihn. Rowlf hatte recht – im schwachen Licht des heraufziehenden Tages war ein vierspänniger Wagen zu erkennen, der quer über den Ashton Place herangefahren kam und zielsicher vor meinem Grundstück hielt. Der Kutscher sprang vom Bock, wieselte um den Wagen herum und riß den Schlag auf. Augenblicke später wälzten sich zwei Zentner tüllverhüllten Specks auf die Straße und wackelten auf die Tür zu.
»Das... ist Lady McPhaerson!« sagte ich erstaunt. »Was in aller Welt will sie hier? Noch dazu zu dieser Zeit?«
»Das habe ich befürchtet«, murmelte Howard. »Es wäre auch zu schön gewesen...« Er schloß mit einem Seufzen, drehte sich abrupt vom Fenster weg und gab Rowlf einen Wink.
»Geh hinunter und mach die Tür auf«, sagte er. »Schnell, ehe sie klopft und die Dienerschaft weckt.«
Rowlf gehorchte. Wir hörten ihn die Treppe hinunterpoltern und durch die Halle stürmen; wenige Augenblicke später knarrte die Eingangstür, und Lady Audleys Stimme klang auf.
Howard wickelte hastig die tote Ratte in das Papier, sah sich einen Moment hilflos um und placierte sie in Ermangelung eines besseren Verstecks schließlich im Kamin, während ich das Fenster aufriß, um den üblen Geruch aus dem Zimmer zu vertreiben. Auf die Idee hätte ich auch schon vor zwei Stunden kommen können.
Wir waren kaum mit unseren Vorbereitungen fertig, als die Tür aufging und Rowlf wieder hereinkam, gefolgt von Lady Audley, die zu ihrem Doppelkinn nun auch noch dunkle Ringe unter den Augen trug. Sie schien in dieser Nacht so wenig geschlafen zu haben wie wir.
»Robert«, begann sie, ohne sich mit irgendwelchen überflüssigen Schnörkeln aufzuhalten, »ich muß Sie sprechen.« Zielsicher walzte sie auf mich zu, ließ sich in einen Stuhl fallen und griff nach der Kaffeekanne.
»Lassen Sie, Lady Audley«, sagte ich. »Er ist kalt. Aber Rowlf kann neuen aufbrühen.«
Rowlf nickte und verschwand, während sich Howard – schon wieder eine neue Zigarre im Mund – zwischen mir und Lady Audley am Tisch niederließ.
»Ich sehe, Sie haben auch keinen Schlaf gefunden«, begann Lady Audley. »Das ist verständlich, nach allem, was geschehen ist. Und es enthebt mich der Peinlichkeit, Sie wecken zu müssen.«
Ich tauschte einen raschen Blick mit Howard. Vielleicht war es besser, sie in diesem Glauben zu lassen. Es wäre mir schwergefallen, den wahren Grund zu erklären.
»Es hätte nichts gemacht«, antwortete ich. »Aber Sie haben recht. Howard und ich haben die ganze Nacht darüber nachgedacht, was nun während der Seance wirklich geschehen ist. Aber leider wissen wir es nicht«
»Aber ich«, erklärte Lady Audley.
Verwirrt sah ich sie an. »Sie... wissen?« murmelte ich.
Lady Audley McPhaerson nickte mit großem Ernst. »Sie können es nicht wissen, mein Junge«, sagte sie. »Sie sind jung und unbefangen, und das ist auch gut so.«
Ich hatte meine Züge wohl nicht halb so gut unter Kontrolle, wie ich es gerne gehabt hätte, denn Lady McPhaerson lächelte plötzlich und fuhr – in eindeutig gönnerhaftem Ton – fort: »Machen Sie sich nichts daraus, Robert. Sie sind vielleicht ein begnadetes Medium, aber Ihnen fehlt einfach noch die Erfahrung, wissen Sie? Irgendwann werden Sie begreifen, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich unsere Schulweisheit nicht erklären kann.«
Das kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich war klug genug, sie nicht zu unterbrechen.
»Was meinen Sie damit?« fragte Howard.
Lady Audley bedachte ihn mit einem Blick, der jeden anderen in den Sessel hätte schrumpfen lassen. »Ich meine damit, Mister Phillips«, sagte sie, »daß Robert unsere kleinen Seancen bisher nicht ernst genommen hat. Widersprechen Sie mir nicht, Robert«, sagte sie mit erhobener Stimme, als ich sie unterbrechen wollte. »Ich habe Sie längst durchschaut. Für Sie war das alles nur ein großer Spaß, bei dem Sie sich köstlich über uns alberne alten Frauen amüsiert haben, nicht
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