Der Hexer - NR13 - Der Clan der Fischmenschen
geworden, und seine Hände, obwohl zu Fäusten geballt, zitterten. »Er hat recht, Craven«, murmelte er. »Gehen Sie, solange Sie es noch können. Sie wollen nichts von Ihnen. Ich hätte nicht hierher kommen sollen.«
»Das bist du aber, Bannermann«, schnauzte der Dürre. »Wir haben dich gewarnt. Jetzt ist es zu spät.«
»Was wollen Sie von ihm?« fragte ich betont. Die Reihe schob sich drohend ein Stück näher, aber der Dürre hielt sie mit einer raschen Handbewegung zurück.
»Wir wollen nichts von ihm, Craven. Wir wollen ihn.« Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse.
»Dieser Mann war Kapitän eines Schiffes, Craven. Eines Schiffes, auf dem unsere Freunde und Brüder und Väter gefahren sind. Er hat sie im Stich gelassen. Er ist wie ein Feigling geflohen und hat seine Leute jämmerlich ersaufen lassen, statt sich wie ein Mann zu benehmen und –
»Und mit seinem Schiff unterzugehen?« unterbrach ich ihn. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Mann. Wir leben im neunzehnten Jahrhundert, nicht mehr im Mittelalter!«
Der Dürre fegte meine Worte mit einer wütenden Bewegung beiseite. »Das hat keiner verlangt!« schnappte er. »Niemand ist unfehlbar, auch ein Kapitän nicht. Aber er hat schon einmal ein Schiff verloren, mit Mann und Maus. Jeder Mann mit einem Funken Anstand im Leib hätte die Konsequenzen gezogen und nie wieder einen Fuß auf ein Schiff gesetzt. Er nicht. Im Gegenteil – er mußte eine zweite Mannschaft in den Tod führen.«
»Das ist doch Unsinn!« begehrte ich auf. »Kapitän Bannermann wurde in einer ordnungsgemäßen Seegerichtsverhandlung freigesprochen –
»Seegericht!« unterbrach mich der Dürre. »Ihr verdammtes Seegericht interessiert mich nicht. Da kriegt ja doch nur der recht, der das meiste Geld hat!« Er spie aus. »Wir Seeleute haben unsere eigenen Gesetze, Craven. Ein Kapitän darf sich jeden Fehler erlauben, aber er muß dazu stehen. Und er darf nicht feige sein.«
»Bannermann ist unschuldig«, sagte ich. Allmählich kam mir die ganze Situation mehr als nur absurd vor – da stand ich in einem der verrufensten Viertel von Aberdeen, den Degen in der Faust und einer zwölffachen Übermacht gegenüber, und diskutierte mit ihnen, als wäre ich im Gerichtssaal!
Mein Gegenüber schien ähnlichen Gedanken nachzuhängen, denn er trat – meinen noch immer drohend erhobenen Degen ingorierend – auf mich zu, schob kampflustig das Kinn vor und deutete fordernd auf Bannermann.
»Wir werden ihn mitnehmen, Craven«, sagte er. »Und dann werden wir unsere eigene Seegerichtsverhandlung führen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich ruhig.
Der Dürre atmete scharf ein, öffnete den Mund, um zu antworten – und erstarrte.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sich meine Aufregung wieder soweit gelegt hatte, daß ich in der Lage war, die notwendige Konzentration aufzubringen. Aber jetzt spürte ich, wie sein instinktiv aufflammender geistiger Widerstand beinahe sofort zusammenbrach. Einen Moment lang wehrte er sich noch, aber es war ein lautloser, nach außen hin vollkommen unbemerkt bleibender Kampf, und schon nach zwei oder drei Sekunden erlosch das trotzige Feuer in seinen Augen vollends. »Sie werden Kapitän Bannermann nichts antun«, sagte ich, und fügte, mit erhobener Stimme und deutlich lauter, hinzu. »Und auch Sie nicht, meine Herren. Niemand von Ihnen. Bannermann und ich werden jetzt gehen, und Sie werden uns weder daran hindern noch auf irgendeine andere Weise behelligen. Haben Sie das verstanden?«
Der Dürre starrte mich aus großen Augen an, schluckte hörbar und nickte, wenn auch langsam und mühevoll, als wäre die Bewegung gar nicht seine eigene.
»Sie werden vergessen, was hier geschehen ist«, fuhr ich fort. »Sie haben Bannermann und mich niemals gesehen. Sie kennen nicht einmal unsere Namen. Ist das klar?«
Wieder nickte der Dürre, und wieder spürte ich, wie schwer ihm die Bewegung fiel.
Etwas war anders als sonst. Es ist mir noch nie leicht gefallen, einem anderen Menschen meinen Willen aufzuzwingen, schon gar nicht in einer Situation wie dieser, und schon gar nicht, wenn ich gleich einem Dutzend Gegner gegenüberstand. Und trotzdem unterschied es sich drastisch von den wenigen Malen, da ich die Gabe, die mir mein Vater gegen meinen Willen vererbte, eingesetzt hatte. Ich sprach sehr langsam, beinahe schleppend, und ich spürte, wie meine Handflächen feucht wurden vor Anstrengung. Ein dumpfer, lastender Druck, der mit jeder Sekunde
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