Der Hexer - NR17 - Gefangen im Dämonen-Meer
Die Seekrankheit, Sie verstehen? Und ich war mehr als zwölf Stunden lang im Wasser. Vielleicht... wenn Sie mir auf der Karte zeigen, wo wir jetzt sind...«
Ich weiß, es klingt unglaublich – aber De Cruyk fiel tatsächlich darauf herein. Eine Sekunde lang starrte er mich durchdringend an, dann riß er eine Schublade seines Schreibtisches auf und förderte eine fleckige Seekarte zutage, die er vor mir auf dem Tisch ausbreitete.
»Genau hier«, sagte er und tippte mit einem fetten Zeigefinger auf eine Stelle dicht an ihrem Rand.
Hätte er mir den gleichen Finger in diesem Moment ins Auge gestochen, wäre ich kaum überraschter gewesen.
Meine Geographiekenntnisse waren niemals besonders gut, aber die Küstenlinie, die die Karte zeigte, war zu markant, um sie nicht zu erkennen. Außerdem standen die Namen der beiden großen Inseln, die sie zeigten, in verschnörkelten Buchstaben überdeutlich am unteren Rand der Karte.
SUMATRA und JAVA
Ich hatte mich getäuscht. Das Tor hatte mich weder zwei noch zweitausend Meilen transportiert, sondern viel weiter.
Ich befand mich mitten in Indonesien.
»Das ist... weiter, als ich dachte«, gestand ich stockend, und fügte hastig hinzu: »Ich muß wohl länger krank gewesen sein, als ich geglaubt habe.«
»Wohin wollten Sie, Mister Craven?« fragte De Cruyk lauernd.
»Nach... nach China«, improvisierte ich rasch. »Die DAGON war auf dem Wege nach Peking.«
»Peking, so?« wiederholte De Cruyk.
Ich nickte.
»Peking hat keinen Hafen«, sagte De Cruyk ruhig.
»Das weiß ich«, antwortete ich. »Ich wollte ja auch nur sagen, daß ich auf dem Wege nach Peking war, und... und...« Ich sprach nicht weiter, als mich De Cruyks Blick traf. Für jemanden, der ein so gestörtes Verhältnis zu Schiffen hat wie ich, ist es vielleicht nicht sehr ratsam, einen Seemann belügen zu wollen.
»Mister Craven, Sie machen es mir nicht leicht«, sagte De Cruyk kopfschüttelnd. »Wahrhaftig nicht. Für einen Mann, den ich vor einer Stunde aus dem Meer gefischt habe, sind Sie nicht sehr hilfsbereit.« Er seufzte, faltete seine Karte wieder zusammen und zog statt dessen etwas aus seiner Schublade, das ich nach kurzem Hinsehen als die aufgeweichten Reste meines Reisepasses identifizierte. Natürlich – man hatte mir ja meine Kleider weggenommen, und es war nur logisch, daß sich De Cruyk informierte, wen er da aus dem Meer gefischt hatte.
»Das ist Ihr Paß, nehme ich an«, sagte er, während er scheinbar interessiert in dem aufgeweichten Dokument blätterte.
»Wenn es drin steht – ja«, gab ich beleidigt zurück. Seltsamerweise lächelte De Cruyk bloß.
»Nun, Mister Craven«, begann er lauernd, »wenn dies hier wirklich Ihr Reisepaß ist und Sie immer noch behaupten, von Bord eines Schiffes gefallen zu sein, das auf dem Wege nach China war«, er lachte leise, »dann lassen Sie mich Ihnen erzählen, wie ich die Sache sehe.«
»Bitte«, sagte ich kalt.
De Cruyk klappte meinen Paß zusammen und legte ihn vor sich auf den Tisch. »Meinen Namen kennen Sie«, begann er. »Aber was Sie vielleicht nicht wissen, ist, daß die VAN HELSING kein gewöhnliches Handelsschiff ist«
»O doch«, sagte ich. »Das... ist mir nicht entgangen.«
De Cruyk verstand die Gehässigkeit sehr wohl, aber aus irgendeinem Grunde zog er es vor, nicht darauf einzugehen, sondern fuhr in unverändertem Ton fort: »Sehen Sie, Mister Robert Craven oder wie immer Sie heißen mögen, die VAN HELSING ist im Auftrage der ostindischen Gesellschaft unterwegs, um die Küsten Indonesiens vor solchen Subjekten wie Ihnen zu schützen.«
»Die... die ostindische Gesellschaft?« wiederholte ich ungläubig. »Einen Moment, De Cruyk. Soviel ich weiß, hat Ihre Gesellschaft schon seit –«
»Mehreren Jahren keinen Anspruch mehr auf Indonesien«, unterbrach mich De Cruyk hart. »Das wollten Sie doch sagen, oder?«
Ich nickte.
»Sie haben recht«, fuhr De Cruyk fort. »Und auch wieder nicht. Es ist richtig, daß meine... Auftraggeber nicht mehr offiziell die Schirmherren dieser Insel sind, obgleich es den Eingeborenen hier weiß Gott besser ging, als sie noch unter unserem Schutz standen. Aber das bedeutet nicht, daß Indonesien jetzt zum Freiwild für Piraten, Betrüger und Plünderer geworden ist. Die Sundainseln sind noch immer eine niederländische Kronkolonie.«
»Und?« fragte ich, obgleich mir allmählich klar zu werden begann, worauf De Cruyk hinauswollte.
»Sehen Sie, Craven – die VAN HELSING ist kein Kriegsschiff,
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