Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
einfach, sie anzuerkennen.
    Shadow war tot! TOT!
    Irgend etwas tief in mir schien zu zerbrechen. Heiße Tränen schossen mir in die Augen, rannen über mein Gesicht und versickerten im Bart. Plötzlich war ein Kloß in meinem Hals, und eine Faust umschloß mein Herz und preßte es zusammen. Und in den Tiefen meiner Seele begann eine Flamme zu lodern, so grell und –
    Ich bin nicht tot, flüsterte eine Stimme in meinen Gedanken. Ihre Stimme! Ich erstarrte in der Bewegung und sah auf ihr Gesicht herab. Aber noch immer war es leer und tot.
    Sie soll es denken, fuhr Shadow fort. Tote beachtet man nicht.
    Ich mußte wohl ziemlich dämlich dreingeschaut haben in diesem Augenblick, denn bevor ich nicken oder mich sonst auf irgendeine leichtsinnige Weise verraten konnte, fügte sie hastig hinzu: Spiel deine Rolle weiter, Robert. Es ist unsere einzige Chance. Sie wird bald kommen!
    Ich wußte nicht, wen Shadow meinte, aber ich gehorchte instinktiv. Und das fiel mir beinahe noch schwerer, als die Fassung über ihren vermeintlichen Tod zu bewahren. Ich hätte jubeln und mit den Untoten tanzen können.
    Nun, letzteres wohl doch nicht...
    Als ich aufsah, gewahrte ich, daß sich die Indianer uns nicht weiter genähert hatten. Und nach einer weiteren ungläubig erstaunten Sekunde erkannte ich, daß sie sich überhaupt nicht mehr bewegten! Sie waren zu Statuen des Schreckens erstarrt, umringten uns wie eine lebende Mauer auf der Grenze, die den flackernden Lichtschein des Feuers von der Nacht trennte.
    Und plötzlich begriff ich.
    Sie hatten gar nicht den Auftrag, uns zu töten! Sie sollten uns aufhalten und IHRE Ankunft vorbereiten – wer immer SIE auch sein mochte.
    Mit Grabesmiene streifte ich meine Jacke ab und breitete sie über Shadows reglosen Körper. Dann erhob ich mich taumelnd; ein gebrochener Mann, am Ende seiner psychischen Kraft. Ich hätte die Mailänder Scala zu Begeisterungsstürmen hinreißen können.
    Sekundenlang blieb ich über ihr stehen, schwankend wie ein Blatt im Wind. »Sie ist tot«, flüsterte ich mit erstickter Stimme. »Sie ist –
    Ich wandte mich um, ließ meine Schultern hängen und preßte die Tränen aus den Augenwinkeln. Es wurde langsam Zeit, daß ich Publikum bekam; das Publikum, von dem Shadow gesprochen hatte.
    Annie und Bill konnten mir nicht in die Augen sehen, als sie mich in ihre Mitte nahmen und Cody mitfühlend seine Rechte auf meine Schulter legte. Hätten sie es getan, dann hätten sie vielleicht die Wahrheit erkannt.
    Zu unseren Füßen regte sich Lancelot Postlethwaite. Bill kniete rasch nieder und half ihm, sich in eine halbwegs sitzende Position aufzurichten.
    »Was... was ist geschehen?« murmelte Lance, noch halb in den Nebeln der Ohnmacht gefangen, und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Dann kehrte die Erinnerung zurück.
    Mit einem Schrei bäumte er sich auf, wollte im gleichen Moment aufspringen und fliehen und fiel mit einem Ächzen in den Sand zurück.
    Bill versuchte, Postlethwaite zu beruhigen, was ihm angesichts der undurchdringlichen Mauer aus lebenden Leichen, die uns umgab, sichtlich schwerfiel. »Im Moment besteht keine Gefahr«, sagte er leise. »Die Kerle warten auf irgend etwas.«
    Er sollte recht behalten.
    Wie zur Bestätigung seiner Worte durchzog mit einem Male ein unheimliches, sphärisches Singen die Luft; ein Laut, der uns gleichsam verstummen und erstarren ließ. Ein Ton von solcher Traurigkeit und Intensität, daß unsere Seelen in das Lied einzustimmen schienen und sich ein merkwürdig wehmütiges Gefühl in mir ausbreitete. Wäre mir der Vergleich in dieser Situation – umringt von Leichen und den sicheren Tod vor Augen – nicht so lächerlich vorgekommen, ich hätte es als Heimweh definiert.
    Und dieser Ton war es auch, der mir auf geradezu unlogische Weise klarmachte, daß da nichts wirklich Böses auf uns zukommen konnte. Es war ein Lied, das ein Echo tief in mir zum Klingen brachte und meinen ganzen Körper wie eine warme Woge der Sehnsucht überrollte.
    Andererseits – auch die Sirenen sangen wunderschön, und doch lockten sie die Seefahrer in den Tod...
    Nur aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, daß Bill und Lancelot sich neben mir aufrichteten. Mein Blick hing wie gebannt an einem Punkt etwa drei Yards vor und über uns. Ein winziger, gleißender Punkt in der Nacht, der von Sekunde zu Sekunde mehr an Intensität gewann und wie ein schlagendes Herz zu pulsieren schien. Und der größer wurde.
    Bald hatte sein Leuchten

Weitere Kostenlose Bücher