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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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und fiel auf die Knie. Vor meinen Augen drehte sich die Welt in einem wilden Reigen, und jetzt erst hörte ich das Blut in meinen Ohren rauschen. In meinem Geist war nur Platz für eine einzige Frage: Was war geschehen?
    Irgend jemand schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn wie aus weiter Ferne drang eine Stimme in mein Bewußtsein; eine uralte und doch auf bizarre Weise junge Stimme, die ich nach Ewigkeiten erst erkannte.
    »Mein Schicksal darf nicht das eure sein«, sagte Sitting Bull und erhob sich mühsam. Die Utensilien seines Medizinbündels ließ er im Sand zurück; Irrlichter zuckten noch darüber, und ein rauchiger Nebel lag dort in der Luft, wo der alte Häuptling gesessen hatte. »Ich danke euch, Freunde«, fuhr er fort, »aber dies ist eine Prüfung, die nur ich allein bestehen kann.«
    Ich konnte es kaum glauben. Für Sekunden war ich schlichtweg sprachlos und kaum in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sitting Bull selbst hatte unsere Bemühungen zunichte gemacht, sein Leben zu retten!
    Glaubte er, Monahseetah würde ihn verschonen? Dachte er im Ernst, sie würde uns laufenlassen, nach all dem, was geschehen war?
    Wenn ja, konnte ich seinen Optimismus nur bewundern. Ich selbst hegte derlei Hoffnungen nicht; im Gegenteil. Aber ich fühlte mich zu leer und ausgebrannt, um den Gedanken bis zu seiner letzten bitteren Konsequenz zu führen. Mit einem Male war ich nur noch müde, so schrecklich müde...
    Monahseetah starrte dem Häuptling ebenso fassungslos entgegen wie wir, doch in ihren Augen war der verderbliche Funken noch nicht erloschen. Und sie schien sich zu erholen, schneller, als uns lieb sein konnte.
    »Du hast dein Schicksal selbst gewählt, Ta-tan-ka I-yo-ta-ke«, flüsterte sie, und in ihrer Stimme schwang schon wieder jener haßerfüllte Unterton mit, der mir eisige Schauer über den Rücken jagte. Sie blickte zur Seite, wo Custer reglos im weichen Sand lag.
    »Er lebt noch«, erriet Sitting Bull ihre Gedanken. »Wenn man dies Leben nennen will.« Sein Blick war voll Trauer, als er die junge Squaw musterte. »Du hast die Kräfte der Magie verwandt, um zu erwecken, was tot sein sollte, Monahseetah«, fuhr er fort, »und damit das höchste Gebot der Götter verletzt. Glaubst du, Wakan –
    »Meine Rache war gerecht!« schrie sie auf, aber in ihrer Stimme schwang ein Hauch von Zweifel mit. »War es falsch, ihn zu lieben, noch über den Tod hinaus?«
    »Es ist kein Fehler, Liebe zu empfinden und zu geben«, erwiderte Sitting Bull. »Doch verträgt sich Haß mit Liebe? Das Leben endet im Tod, doch muß man Tod und Vernichtung bringen, um zu leben?«
    »Du redest von Leben? Du, der Hunderten den Tod brachte? Der mir den Geliebten nahm?«
    »Um das Leben vieler zu retten«, fügte Sitting Bull hinzu. Er trat dicht an Monahseetahs Pferd heran und senkte seine Stimme zu einem beschwörenden Flüstern. »Sein Tod hatte einen Sinn, auch wenn du ihn nicht begreifen willst, Monahseetah. Der deine war ein Sakrileg, unbedacht und von eigener Hand.« Er verstummte und senkte den Kopf. Und als er weitersprach, war seine Stimme tränenerstickt. »Ein Tod, der einem jungen Leben die Mutter raubte. Hast du deinen Sohn vergessen, Monahseetah?«
    Es waren nur Worte, doch jedes einzelne von ihnen traf die Indianerin wie ein körperlicher Hieb. Für einen Moment glaubte ich, einen schwachen Abglanz von Leben in ihren Augen glitzern zu sehen, und als ich mich ungläubig aufrichtete, erkannte ich, daß ich mich nicht getäuscht hatte.
    Eine einzelne Träne lief über die Wange der Squaw und versickerte in ihrem Mundwinkel. Und als hätte die Kraft dieser Träne den unseligen Bann gebrochen, verschwand der haßerfüllte Ausdruck von ihren Lippen.
    »Yellow Swallow«, flüsterte sie, und in den Worten erkannte ich den Klang der Sehnsucht wieder, die wir alle bei ihrem Erscheinen verspürt hatten. »Er ist jetzt ein junger Krieger«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Hat er in deinem Tipi eine Heimat gefunden?«
    »Ich habe ihn nach den Gesetzen unseres Stammes erzogen und die Kunst der Magie gelehrt«, antwortete Sitting Bull.
    »Dann wird er eines Tages Häuptling über die Sioux sein?« Monahseetahs Antlitz erhellte sich, und der letzte Schatten wich von ihren Zügen. Aber in ihren Worten schwangen auch Triumph und Genugtuung mit.
    »Er ist tot«, sagte Sitting Bull leise.
    Monahseetah erstarrte. Für einen kurzen, schrecklichen Augenblick schien es, als wolle der eben besiegte Haß zurückkehren,

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