Der Hexer - NR29 - Necron - Legende des Bösen
mich Necron. »Und ist der Diener eines Königs nicht mehr zu beneiden als der König eines Volkes von Bettlern?« Er hob die Hand und ließ sie wuchtig auf das kleine Tischchen mit den SIEGELN klatschen. »Muß ich Sie erinnern, was geschah, als Hastur das erste Mal angriff?« fragte er. »Haben Sie den Krakatau vergessen? Wie viele Unschuldige sind gestorben? Zehntausend? Fünfzehn? Wie viele, Robert?«
»Sechsunddreißigtausend«, murmelte ich. »Aber das war –
»Eine Naturkatastrophe?« Necron lachte böse. »Sie wissen es besser! Der Krakatau brach nicht aus, weil ich dieses SIEGEL entfernte. Er brach aus, weil Hastur es so wollte. Und es war ihm vollkommen egal, wie viele Menschen dabei ihr Leben verloren. Was glauben Sie, wird geschehen, wenn er wirklich auf einen der GROSSEN ALTEN trifft, oder auf alle? Möglicherweise wird es diesen Planeten dann nicht mehr geben, Robert. Möglicherweise doch noch, aber Sie und ich werden ihn nicht wiedererkennen. Auch Ihre Phantasie wird wohl ausreichen, sich auszumalen, was geschieht, wenn die Götter einander bekämpfen. Möglicherweise wird unsere Welt zu einem glühenden Feuerball. Hastur ist das gleichgültig.«
»Sie... Sie lügen!« keuchte ich. Aber meine Stimme zitterte dabei, und irgendwo, sehr tief in meinem Inneren, spürte ich, daß er recht hatte. Krakatau... ich hatte diese entsetzliche Katastrophe miterlebt, und ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie rücksichtslos Hastur seine Macht eingesetzt hatte. Vor meinem inneren Auge stieg eine entsetzliche Vision auf: Ich sah Länder, bedeckt mit Leichen, brennende Städte und kochende Flüsse, Meere, die unter unglaublicher Glut verdampften und Wolken, aus denen Feuer auf ein verbranntes Land herabregnete...
»Sie lügen«, murmelte ich noch einmal.
»Nein, Robert, das tue ich nicht«, antwortete Necron leise. Er wandte sich an Shadow. »Sagen Sie ihm, daß ich die Wahrheit spreche.«
Shadow schwieg. Aber sie wich meinem Blick aus, als ich sie anstarrte.
»Mein Angebot gilt auch für Sie«, sagte Necron, immer noch an Shadow gewandt. »Kommen Sie zu uns. Ich werde Sie vor Hasturs Nachstellungen schützen.«
»Sie... Sie sind verrückt«, murmelte Shadow. »Ich bin sein Geschöpf.«
»Unsinn!« Necron machte eine unwillige Handbewegung. »Sie sind schon viel mehr Mensch, als Sie selbst wahrhaben wollen.« Plötzlich wurde er zornig. »Sagen Sie es ihm, Shadow. Sagen Sie Robert, was geschah, als die El-o-hym das letzte Mal hierherkamen und gegen Cthulhu und seine Brüder kämpften.«
Shadow schwieg. Aber irgend etwas veränderte sich in ihrem Gesicht, das mich schaudern ließ. Und es war ein Ausdruck, den ich lange nicht vergessen sollte.
* * *
Die Nacht war noch dunkler geworden. Der Mond hatte sich hinter grauschwarzen Wolken verkrochen, wie ein großes, bleiches Gesicht, das sich angstvoll vor dem verborgen hielt, was kommen mochte, und wie um die Hitze des Tages zu verhöhnen, wehte ein eisiger Wind von Osten her und peitschte den Männern Sand und Kälte in die Gesichter.
Das Heer kroch wie eine gewaltige, aus fünfhundert einzelnen weißen Segmenten bestehende Schlange durch die Wüste, den großen Dünen und Felsmassierungen ausweichend, aber immer nach Osten.
Sie waren seit einer Stunde unterwegs; eine Stunde jenseits der unsichtbaren Barriere aus Wahnsinn, die Necron um seine Burg gelegt hatte, und obgleich die Nacht so finster war, daß der Blick nicht einmal von einem Ende der Kolonne zum anderen reichte, spürte Balestrano doch, daß es nicht mehr sehr weit sein konnte. Er konnte die Nähe des Magiers fühlen. Wie einen üblen Geruch, der sich über der schwarzen Wüste ausbreitete.
Das Geräusch leiser, aber sehr hastiger Schritte auf dem weichen Wüstensand ließ Jean Balestrano abrupt aus seinen Gedanken hochschrecken. Er sah auf, erblickte einen Schatten und erkannte Augenblicke später Nies van Velden, den Desert-Master. Trotz der Dunkelheit glaubte er einen besorgten Ausdruck auf den schmalen Zügen des Flamen zu erkennen.
»Was ist geschehen?« fragte Balestrano alarmiert.
Van Velden deutete nach vorne zur Spitze der Kolonne. »Die Kundschafter haben jemanden gesehen«, sagte er.
»Wen?«
»Kundschafter«, antwortete van Velden. Er lächelte, als ihm klar wurde, wie verwirrend seine Worte klangen, und fügte hastig hinzu: »Späher Necrons, Bruder. Es sind zwei.«
»Haben Sie unsere Männer gesehen?« fragte Balestrano.
Van Velden schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber
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