Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt
als sich seine Pranken um ihn schlossen. Metallene Tropfen lösten sich und fielen zischend in trübes Wasser, während der Golem seinen aufgedunsenen Körper nach oben zog, der Öffnung entgegen, dem Leben...
* * *
Ich drehte mich langsam im Kreis, die Hand fest um den Griff des Stockdegens geklammert.
Howard war in eines der Häuser eingedrungen, und Rowlf bog gerade um eine entfernte Ecke und verschwand aus meinem Blickfeld. Der Regen hatte in den letzten Minuten zugenommen, und über den Dächern von London zuckten die ersten Blitze auf. Unwillkürlich zählte ich bis zum Rollen des Donners. Vier Sekunden. Das Gewitter kam direkt auf uns zu!
Ich blieb stehen und lauschte, aber durch das Prasseln des Regens war kein anderes Geräusch mehr zu vernehmen. So entschied ich mich, die Suche in einem der Häuser fortzusetzen.
Das Gebäude, das ich mir ausgesucht hatte, war früher wohl ein stabiles, dreistöckiges Mietshaus gewesen. Jetzt war es eine Ruine; das Dach war schon vor langer Zeit eingefallen, und einige der Mauern waren zusammengebrochen oder eingerissen worden. An den Wänden konnte ich noch die Fetzen verblichener Tapeten erkennen, von Pilz und Moder überwuchert. Irgendwo schlug ein morscher Fensterrahmen im Wind. Es klang, als poche ein gewaltiges Herz; mal zaghaft und wie im Todeskampf, dann wieder stark und laut.
Die Treppe zum ersten Stock hinauf sah brüchig und verfallen aus. Ich setzte vorsichtig meinen Fuß auf die erste Stufe – und sprang hastig zurück, als das Holz nachgab und die halbe Treppe polternd in sich zusammenfiel.
Diesen Weg konnte der Golem also nicht genommen haben. Blieb der Keller. Als ich die ausgetretenen Steinstufen hinabschritt, schlug mein sechster Sinn Alarm.
Abrupt blieb ich stehen. Hier unten war irgend etwas, das konnte ich deutlich fühlen! Sekundenlang überlegte ich, ob ich Howard und Rowlf herbeirufen sollte, verwarf den Gedanken aber rasch wieder. Hier konnte sich alles mögliche vor dem Gewitter verkrochen haben; ein Straßenköter vielleicht, oder eine streunende Katze. Oder ein ahnungsloser Landstreicher, der hier Quartier bezogen hatte. Ich mußte mir erst Klarheit verschaffen.
Vorsichtig ging ich weiter, darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als ich in die dunklen Schatten am Ende der Treppe eintauchte.
Wieder blieb ich stehen und lauschte. Meine Sinne gaukelten mir Bewegung vor, wo keine war, ließen finstere Schemen über die Wände tanzen und leise Stimmen aus Nischen und verborgenen Winkeln flüstern.
Von oben drang das Grollen des Donners zu mir herab. Es hörte sich seltsam fremd an, wie durch eine dichte Watteschicht hindurch. Ein Blitz zuckte auf und tauchte einen kleinen Teil des Kellers für den Bruchteil einer Sekunde in grelles Licht.
Ich schrie vor Schreck auf und riß den Stockdegen hoch.
War da nicht etwas gewesen? Eine sehnige Gestalt, dicht an die Wand gelehnt? Hastig wich ich zwei Stufen zurück und tastete nach meinen Fackeln. Sollte ich es riskieren, eine davon zu entzünden? Ich mußte sparsam damit umgehen, und war das Magnesium erst entflammt, konnte es nicht mehr gelöscht werden.
»Halt, Robert! Ich bin’s!«
Ich fuhr zusammen und hätte im ersten Reflex fast einen Streich mit dem Degen geführt.
»Howard!« sagte ich scharf und eine Spur zu laut. »Bist du denn wahnsinnig geworden, mich so zu erschrecken?«
Der Schatten löste sich von der Wand und kam auf mich zu. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe dich auch gerade erst erkannt. Ich dachte schon, es wäre der Golem.«
Erleichtert ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen und fuhr mir über die schweißnasse Stirn. Wieder flammte ein Blitz auf und riß Howard aus der Dunkelheit.
Er war kein bißchen nervös; im Gegenteil, er lächelte!
Ich sprang die letzten Stufen hinunter und schlug ihm die Hand auf die Schulter. »Howard, ich ahnte doch, daß du keine Nerven besitzt.«
Er lachte kurz und trocken. »Sonst alles in Ordnung?«
»Natürlich. Ich –«
Da kam mir ein Gedanke. Gurk! Ich hatte ihn nicht mehr in meiner Nähe gespürt, seit er sich aus der Kutsche verzogen hatte. Vielleicht gelang es mir diesmal...
»Howard, ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen!« Es funktionierte! »Bitte unterbrich mich nicht und höre nur zu...«
In knappen Sätzen berichtete ich von dem kleinen Kobold, den ich durch mein Mißgeschick aus der Flasche befreit hatte und der mir seitdem nichts als Unglück gebracht hatte.
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