Der Hexer - NR37 - In der Festung des Dschinn
wirklich war. Aber dieses Begreifen kam ein wenig zu spät, dachte ich bitter.
Der Kampf endete so schnell, wie er begonnen hatte. Plötzlich gab es nur noch Letitia und mich und vielleicht vier oder fünf verletzte Highlander, die sich mit Mühe auf den Beinen hielten und von den Arabern zusammengetrieben wurden. Auch ich bekam einen Kolbenstoß in den Rücken, ließ hastig meinen Säbel fallen und stolperte auf Trouwnes Leichnam zu, während die Beduinen bereits damit begannen, die Toten auszuplündern und ihre Gepäckstücke aufzuschlitzen. Hier und da entbrannte ein heftiger Streit um die Beute.
Aber das Durcheinander dauerte nicht lange. Ein einzelner Gewehrschuß peitschte, und die Raufereien endeten abrupt. Als ich neben der zitternden Letitia anlangte, war es beinahe unheimlich still.
Ein einzelner, überraschend junger Reiter kam auf uns zugesprengt, zügelte sein Pferd neben der Leiche des Colonels und sprang mit einer kraftvollen Bewegung aus dem Sattel. Einen Moment lang starrte er mich an, dann – einen deutlich längeren Moment – Letitia, schließlich drehte er sich zu der Leiche des Colonels herum und spie aus.
»Schade, der ungläubige Hund ist schon zur Dschehenna gefahren. Dabei wollte ich wissen, wieviel dieser Königin Viktoria das Leben eines ihrer Offiziere wert ist«, knurrte er.
Letitia schrie gellend auf, riß sich aus dem Griff ihrer Bewacher los und stürzte sich mit Fäusten und Fingernägeln auf den Araber. Der Mann wich ihren Schlägen geschickt aus, packte blitzschnell mit der Linken ihr Handgelenk und griff mit der anderen Hand in ihr Haar, um sie zur Räson zu bringen. Letitia kreischte, jetzt aber vor Schmerz. Gottlob besaß sie wenigstens die Geistesgegenwart, sich nicht weiter zur Wehr zu setzen.
Der Araber lachte schallend. »Diese Wildkatze ist mein Beuteanteil«, schrie er, ließ Letitias Hand los und kniff ihr feixend in den Hintern.
Mit einer Kraft, die ich Letitia gar nicht zugetraut hätte, riß sie sich los, versetzte dem Muslim eine schallende Ohrfeige und rannte auf mich zu.
»Nein!« kreischte sie. »Robert, retten Sie mich vor diesem Barbaren!«
Sie erreichte mich nicht einmal. Der junge Araber lachte, holte sie mit einem raschen Schritt ein und griff abermals in ihr Haar. Als sie diesmal nach ihm schlagen wollte, duckte er sich blitzschnell unter ihrer Hand hindurch, riß sie an sich und küßte sie gewaltsam. Letitia kreischte, versuchte, ihm das Knie zwischen die Beine zu rammen, und biß ihm kräftig in die Lippe, als dies mißlang.
Diesmal klang das Lachen des Arabers nicht mehr ganz so amüsiert, als er Letitia von sich stieß. Er hob die Hand, tastete über seine Unterlippe und betrachtete stirnrunzelnd das frische Blut, das plötzlich auf seinen Fingern war. Dann bückte er sich, riß Letitia wieder auf die Füße – und küßte sie zum zweiten Mal.
Letitia versuchte nicht mehr, sich zu wehren, aber ihr Gesicht war eine Maske aus Ekel und Entsetzen, als der Schwarzgekleidete endlich von ihr abließ. Ihre Augen waren groß und dunkel vor Angst, als sie mich ansah.
»Helfen Sie mir, Robert!« flehte sie.
Der Araber drehte sich herum und sah mich an, als erblicke er mich zum ersten Mal, und auch ich musterte ihn aufmerksam. Er war noch relativ jung – Anfang zwanzig, schätzte ich, aber sein Gesicht war schon jetzt markant. Und sehr hart. Seine Augen erinnerten mich an Stahlkugeln, die ein begnadeter Künstler mit Leben erfüllt hatte. Nein, dachte ich – Gnade hatten wir von diesem Mann nicht zu erwarten.
»Du willst ihr helfen?« fragte er lauernd. »Wie?«
Es war Letitia, die an meiner Stelle antwortete. »Das ist Mister Robert Craven, ein reicher Gentleman aus London«, sagte sie. »Er wird für unsere Freiheit viel Geld bezahlen!«
Ein sehr mäßiges Interesse blitzte im Blick des Arabers auf. Er musterte mich genauer. Für einen Moment schien sein Blick geradewegs durch mich hindurchzugehen, dann lachte er böse und schüttelte den Kopf.
»Dieser Mann sieht nicht aus, als wäre er reich«, sagte er spöttisch. »Oder laufen die Edlen eures Volkes immer in Lumpen herum?«
»Sie sagt die Wahrheit«, sagte ich rasch. »Ich kann bezahlen.«
»Oh, wir wollen viel«, antwortete der Araber, und er tat es auf eine Art, die mir sehr unangenehm klar machte, daß es vielleicht nicht nur Geld war, worauf er und seine Leute aus waren. »Wahrscheinlich mehr, als du uns geben kannst, Inglese.« Sein Lächeln erlosch. »Tötet ihn«, sagte er beinahe
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