Der Hexer - NR41 - Die phantastische Reise
erstrahlten, daß ich geblendet die Augen schloß.
Fasziniert ging ich einige Schritte in die Schlucht hinein und berührte einen der gläsernen Türme. Er fühlte sich kalt und glatt an wie poliertes Eis. Vorsichtig schritt ich weiter und bemerkte in meinem Staunen nicht, daß ich vom Weg abgewichen war.
Erst als ich zwischen faustgroße Kristalle trat und das Gleichgewicht verlor, wurde ich mir der Tatsache bewußt, daß der gewundene Pfad nicht einmal in die Schlucht hineinführte! Ich stolperte vorwärts, prallte unsanft gegen einen der hohen Steine und schrie auf, als ein stechender Schmerz durch meine Schulter zuckte.
Das Echo meiner Stimme fing sich zwischen den Wänden der Schlucht und wurde dutzendfach zurückgeworfen. Und im gleichen Moment glaubte ich eine rasche, huschende Bewegung vor mir zu sehen!
Blitzschnell fuhr ich herum und drückte mich dicht an eine der Kristallsäulen, lehnte das Schwert behutsam dagegen und zog den Stockdegen unter meinem Gürtel hervor.
Obwohl ich die Bewegung nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augenwinkeln gesehen hatte, glaubte ich doch, eine hochgewachsene menschliche Gestalt erkannt zu haben. Einer der Eingeborenen?
Unendlich langsam schob ich mich an der spiegelglatten Fläche entlang und spähte um die Kante des Kristalls.
Nichts.
Natürlich; was hatte ich erwartet? Er mußte mich gesehen haben.
Was nun? War es überhaupt noch sinnvoll, sich verstecken zu wollen? Sollte ich nicht vielmehr versuchen, Kontakt mit dem Wesen aufzunehmen?
Kurz entschlossen nahm ich die Hand mit dem Degen hinter meinen Rücken, atmete noch einmal tief durch – und trat aus meiner Deckung hervor,
»Hallo!« versuchte ich mein Glück. »Ist da wer?«
Und sprang im gleichen Moment mit einem entsetzten Keuchen zurück. Wieder klang ein dutzendfaches Echo meiner Worte auf – doch es kam nicht von den Wänden der Schlucht.
Es erklang aus... meinem Mund! Oder besser: aus den Mündern Dutzender Robert Cravens, die mit einem Male vor mir standen. Vollendete Doppelgänger, die im gleichen Moment aus den umliegenden Kristallen getreten waren, als ich die Worte ausgesprochen hatte!
Ich riß den Degen hinter meinem Rücken hervor und führte einen hastigen Streich gegen die unheimlichen Erscheinungen. Und traf doch nur ins Leere. Denn kaum war das Echo verklungen, da lösten sich auch meine Spiegelbilder in Nichts auf.
Noch am ganzen Leibe bebend, blieb ich reglos stehen. Mein Herz pochte schmerzhaft gegen die Rippen, mein Atem ging keuchend. Der Schreck saß mir tief in den Knochen, und ich mußte mich überwinden, den Degen herabzunehmen. Nun war mir auch klar, warum der Pfad nicht direkt durch diese Schlucht verlief – jeder Laut, der ein Echo erzeugen konnte, schuf gleichzeitig auch Kopien des Lebewesens, das ihn ausgestoßen hatte!
Und doch schienen die kristallenen Doppelgänger ungefährlich zu sein; vergängliche Launen einer bizarren, fremden Natur.
Ich beschloß, noch einen Versuch zu wagen, und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Die Kristalle sogen den Laut förmlich in sich auf. Rings um mich herum erglühten die mannshohen Säulen in gleißendem Licht, und ein leises Zittern wie von bewegtem Wasser lief über ihre Oberfläche. Wieder lösten sich meine Spiegelbilder aus den Kristallen; diesmal jedoch waren es ungleich mehr.
Und jetzt erlebte ich einen Effekt, der mich schaudern ließ: für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl, aus Hunderten verschiedener Körper zu bestehen, aus Hunderten von Augen zu blicken und mich dabei selbst aus Hunderten verschiedener Blickwinkel zu sehen.
Für einen kurzen Moment war ich eins mit meinen künstlichen Brüdern; ein Gefühl, das meinen Geist gleichzeitig zu zerreißen und wie mit einer unsichtbaren Faust zusammenzupressen schien. Ein heftiger Schmerz durchzuckte meinen Kopf, und Übelkeit stieg wie eine dunkle Woge in mir auf. Mich schwindelte, und hätte ich mich nicht im letzten Moment an einem der Steine festgeklammert, so wäre ich gestürzt.
Noch halb betäubt griff ich nach Sills Schwert und taumelte auf den Ausgang der Schlucht zu. Ich fühlte mich, als hätte man mein Gehirn auseinandergenommen, in kleine Scheiben zerschnitten und falsch wieder zusammengesetzt.
Und das war auch der Grund dafür, daß ich blind und taub in mein Schicksal rannte. Als ich endlich die Gefahr erkannte, war es zu spät.
Ein riesenhafter, dunkler Schatten wuchs vor mir in die Höhe, kaum daß ich den Ausgang erreicht hatte,
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